Dreifach
langsamer.«
»Das hätte ich auch selbst erraten«, entgegnete der Vorsitzende brüsk.
»Natürlich«, murmelte der Mann aus dem Außenministerium zerknirscht.
Der KGB-Vertreter fuhr fort: »Ihr einziges ernsthaftes Problem wäre, sich mit Plutonium zu versorgen. Wir wissen einfach nicht, ob sie schon einen Vorrat haben oder nicht.« David Rostow hörte mit großem Interesse zu. Seiner Meinung nach gab es nur eine einzige Entscheidung, die das Komitee treffen konnte. Der Vorsitzende bestätigte seine Ansicht.
»Ich sehe die Situation folgendermaßen«, begann er. »Wenn wir den Ägyptern helfen, ihre Bombe zu bauen, intensivieren wir unsere gegenwärtige Nahostpolitik, wir verstärken unseren Einfluß in Kairo, und wir sind in der Lage, die Bombe bis zu einem gewissen Grad unter Kontrolle zu halten. Wenn wir die Hilfe verweigern, verärgern wir die Araber und hinterlassen möglicherweise eine Situation, in der sie trotzdem eine Bombe besitzen, wir aber keine Kontrolle ausüben.«
»Mit anderen Worten, wenn sie sowieso eine Bombe haben werden, sollte besser ein russischer Finger am Auslöser liegen«, warf der Mann aus dem Außenministerium ein.
Der Vorsitzende bedachte ihn mit einem gereizten Blick und sprach weiter. »Wir könnten dem Politbüro also folgendesempfehlen: Den Ägyptern sollte technische Hilfe bei ihrem Atomreaktorprojekt gewährt werden, wobei die Hilfe darauf abzielt, daß sowjetisches Personal letztendlich die Kontrolle über die Waffen gewinnt.«
Rostow gestattete sich den Schatten eines befriedigten Lächelns. Es war die Schlußfolgerung, die er erwartet hatte.
»Ich beantrage, den Vorschlag anzunehmen«, sagte der Mann aus dem Außenministerium.
»Ich schließe mich dem Antrag an«, sekundierte ihm der KGB-Vertreter.
»Keine Gegenstimme?«
Es gab keine Gegenstimmen.
Das Komitee ging zum nächsten Punkt der Tagesordnung über.
Erst nach der Konferenz wurde Rostow von einem neuen Gesichtspunkt überrascht: Wenn die Ägypter nun nicht in der Lage waren, ihre Bombe ohne Hilfe zu bauen – weil sie zum Beispiel kein Uran besaßen –, dann hatten sie die Russen durch einen sehr geschickten Bluff dazu gebracht, ihnen die nötige Hilfe zu leisten.
*
Rostow hatte seine Familie gern, wenn sich der Kontakt in Grenzen hielt. Der Vorteil seiner Arbeit war, daß er, sobald er sich langweilte – und mit Kindern zu leben, war langweilig für ihn –, meist die nächste Auslandsreise machen mußte; und wenn er zurückkam, vermißte er sie immerhin so sehr, daß er es wieder ein paar Monate mit ihnen aushalten konnte. Er schätzte Jurij, seinen älteren Sohn, trotz seiner unmöglichen Musik und seiner fragwürdigen Ansichten über abtrünnige Dichter. Aber Wladimir, der jüngere, war sein Augapfel. Als Baby war Wladimir so hübsch gewesen, daß viele ihn für ein Mädchen gehalten hatten. Rostow hatte dem Jungen von Anfangan Logikspiele beigebracht, in komplexen Sätzen mit ihm gesprochen, die Geographie ferner Länder, das Wachstum von Blumen und das Funktionieren von Maschinen, Radios, Wasserhähnen und politischen Parteien mit ihm diskutiert. Wladimir war bisher in seiner Klasse der beste Schüler gewesen – allerdings würde er, dachte Rostow, in der Physikalisch-Mathematischen Schule Nummer 2 auf ihm ebenbürtige Kameraden treffen.
Rostow wußte, daß er einige der Ziele, die ihm selbst versagt geblieben waren, von seinem Sohn erreicht sehen wollte. Zum Glück stimmte dies mit den Neigungen des Jungen überein. Er war sich über seine Intelligenz im klaren, er hatte Spaß an ihr, und er wollte ein großer Mann werden. Das einzige, was ihm nicht zusagte, war die Arbeit, die er für das Komsomol leisten mußte, denn sie erschien ihm als Zeitverschwendung. Rostow hatte ihn oft gemahnt: »Vielleicht ist es Zeitverschwendung, aber du wirst es auf keinem Gebiet zu etwas bringen, wenn du nicht in der Partei Fortschritte machst. Wenn du das System ändern willst, mußt du dich an seine Spitze setzen und es von innen her umformen.« Wladimir akzeptierte dieses Argument und besuchte die Treffen des Komsomols: Er hatte die unbeugsame Logik seines Vaters geerbt.
Während er in der Hauptverkehrszeit nach Hause fuhr, sah Rostow einem eintönigen, jedoch angenehmen Abend entgegen. Die vier Familienmitglieder würden zusammen essen und sich dann eine Fernsehserie anschauen, in der heldenhafte russische Spione den CIA überlisteten. Bevor er sich hinlegte, würde er ein Glas Wodka trinken.
Rostow
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