Dreifach
erkannte sogleich, wie hier eine einzige Information durch ein paar Hintergrundinformationen, gewonnen durch einen Anruf in Kairo, plus einer Menge Mutmaßungen und vieler leere Phrasen zu einer Tirade ausgewalzt worden war, die zwanzig Minuten dauerte. Er selbst hatte so etwas oft genug getan.
Dann erläuterte ein untergeordneter Beamter aus dem Außenministerium umständlich seine Interpretation der sowjetischen Politik im Nahen Osten. Was die Motive der zionistischen Siedler auch seien, es liege auf der Hand, daß Israel nur infolge der Unterstützung durch den westlichen Kapitalismus überlebt habe; und die Absicht des westlichen Kapitalismus sei es gewesen, im Nahen Osten eine vorgeschobene Bastion zu errichten, von der aus er seine Ölinteressen im Auge behalten könne. Jeder Zweifel an dieser Analyse sei im Jahre 1956 durch den englisch-französisch-israelischen Angriff auf Ägypten beseitigt worden. Die sowjetische Politik müsse die natürliche Feindseligkeit der Araber gegenüber diesem Überbleibsel des Kolonialismus schüren. Obwohl es – im Rahmen der Weltpolitik – unklug für die UdSSR gewesen wäre, eine atomare Rüstung der Araber einzuleiten , sei es trotzdem nichts anderes als eine direkte Ausweitung der sowjetischen Politik, eine solche Rüstung zu unterstützen , wenn sie einmal begonnen habe. Der Mann redete und redete.
Alle wurden von dieser scheinbar endlosen Darlegung des Selbstverständlichen so gelangweilt, daß die Diskussion danach recht ungewöhnlich verlief – so ungewöhnlich, daß Rostows Chef schließlich ausrief: »Ja, verdammt, wir können den verfluchten Irren doch keine Atombomben geben.«
»Das meine ich auch«, stimmte der Vertreter des Generalsekretärs zu, der gleichzeitig Komiteevorsitzender war. »Wenn sie die Bombe haben, werden sie sie einsetzen. Das wird die Amerikaner zwingen, die Araber anzugreifen, mit oder ohne Atomwaffen – ich würde sagen, mit. Dann hat die Sowjetunion nur zwei Möglichkeiten: ihre Alliierten im Stich zu lassen oder den Dritten Weltkrieg zu beginnen.«
»Ein neues Kuba«, knurrte jemand.
Der Mann aus dem Außenministerium erklärte: »Die Lösung wäre ein Abkommen mit den Amerikanern, in dembeide Seiten sich verpflichten, unter keinen Umständen nukleare Waffen im Nahen Osten einzusetzen.« Wenn er ein derartiges Projekt einleiten konnte, war sein Posten für fünfundzwanzig Jahre gesichert.
»Würde es bedeuten, daß wir das Abkommen gebrochen haben, wenn dann die Araber eine Bombe abwerfen?« fragte der KGB-Mann.
Eine Frau mit weißer Schürze, die einen Teewagen hinter sich herzog, trat`ein, und das Komitee machte eine Pause. Der Vertreter des Generalsekretärs stand, eine Tasse in der Hand und den Mund voll mit Obstkuchen, neben dem Teewagen und erzählte einen Witz. »Da war mal ein Hauptmann im KGB, dessen blöder Sohn große Schwierigkeiten hatte, die Begriffe Partei, Heimat, Gewerkschaften und Volk zu verstehen. Der Hauptmann riet dem Jungen, seinen Vater mit der Partei, seine Mutter mit der Heimat, seine Großmutter mit den Gewerkschaften und sich selbst mit dem Volk zu vergleichen. Aber der Sohn begriff immer noch nicht. Wütend sperrte der Vater ihn in den Kleiderschrank im Schlafzimmer der Eltern ein. In der Nacht war der Junge immer noch im Schrank, als der Vater anfing, mit der Mutter zu schlafen. Der Junge guckte durch das Schlüsselloch und meinte: ›Jetzt verstehe ich! Die Partei vergewaltigt die Heimat, während die Gewerkschaften schlafen und das Volk dabeistehen und leiden muß!‹«
Alle brüllten vor Lachen. Die Frau am Teewagen schüttelte den Kopf in gekünstelter Empörung. Rostow kannte den Witz schon.
Nachdem das Komitee widerwillig an die Arbeit zurückgekehrt war, stellte der Vertreter des Generalsekretärs die entscheidende Frage: »Wenn wir uns weigern, den Ägyptern die technische Hilfe zu leisten, um die sie bitten, werden sie dann trotzdem die Bombe herstellen können?«
Der KGB-Mann, der den Bericht vorgetragen hatte,antwortete: »Uns liegen nicht genügend Informationen vor, um eine eindeutige Antwort geben zu können. Ich habe mich jedoch von einem unserer Wissenschaftler über diesen Punkt belehren lassen, und es scheint, daß es technisch im Grunde nicht schwieriger ist, eine simple Atombombe zu bauen als eine konventionelle Bombe.«
Der Mann aus dem Außenministerium sagte: »Ich glaube, wir müssen voraussetzen, daß sie die Bombe ohne unsere Hilfe bauen können, wenn auch vielleicht etwas
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