Dreifach
rechts und entdeckte Dickstein auf der gegenüberliegenden Straßenseite, etwa fünfzig Meter vor sich. Er überquerte die Straße und folgte ihm.
Dickstein machte schnelle Schritte und blickte geradeaus; er trug die Aktentasche unter dem Arm. Nik stapfte ein paar Häuserblocks hinter ihm her. Wenn Dickstein sich jetzt umschaute, würde er in einiger Entfernung hinter sich einen Mann sehen, der ebenfalls in dem Nachtklub gewesen war, und er würde sich fragen, ob man ihn beschattete. Dann tauchte Pjotr neben Nik auf, berührte seinen Arm und ging weiter. Nik ließ sich soweit zurückfallen, daß er nur noch Pjotr, nicht aber den Verfolgten ausmachen konnte. Wenn Dickstein nun hinter sich blickte,würde er Nik nicht sehen und Pjotr nicht erkennen. Es war sehr schwierig für den Beschatteten, bei dieser Art von Überwachung Verdacht zu schöpfen. Doch je länger ein Opfer verfolgt wurde, desto mehr Männer waren natürlich nötig, um einander regelmäßig abzulösen. Nach einer weiteren halben Meile hielt der grüne Volkswagen am Bordstein neben Nik an. Yasif Hassan lehnte sich vom Fahrersitz herüber und öffnete die Tür. »Neue Befehle. Setzen Sie sich rein.«
Nik stieg in den Wagen, und Hassan steuerte zurück zu dem Nachtklub in der Rue Dicks.
»Gute Arbeit«, sagte Hassan.
Nik ignorierte die Bemerkung.
»Wir möchten, daß Sie in den Klub zurückkehren und dem Überbringer der Aktentasche nach Hause folgen.«
»Hat Oberst Rostow das gesagt?«
»Ja.«
»In Ordnung.«
Hassan stoppte das Auto in der Nähe des Klubs. Nik ging hinein. Er blieb in der Tür stehen und musterte den Raum.
Der Überbringer war verschwunden.
*
Der Computerausdruck umfaßte mehr als hundert Seiten. Dickstein verlor den Mut, als er das ersehnte Bündel Papier durchblätterte, für dessen Besitz er so hart gearbeitet hatte. Nichts schien einen Sinn zu ergeben. Er fing noch einmal von vorne an und betrachtete die Menge durcheinandergewürfelter Ziffern und Buchstaben von neuem. Konnte es sich um einen Code handeln? Nein, dieser Ausdruck wurde jeden Tag von den gewöhnlichen Büroangestellten der Euratom benutzt. Er mußte also leicht verständlich sein.
Dickstein konzentrierte sich. »U-234« – das war, wie erwußte, ein Uranisotop. Eine andere Gruppe von Buchstaben und Ziffern war »180KG« – einhundertachtzig Kilogramm. »17F68« mußte ein Datum sein, der 17. Februar dieses Jahres. Allmählich begannen die Zeilen des Computeralphabets, ihre Bedeutung preiszugeben: Er fand Ortsnamen aus verschiedenen europäischen Ländern, Wörter wie »ZUG« und »LASTWAGEN« mit daneben eingefügten Entfernungen und Namen mit dem Zusatz. »SA« oder »ING«, die auf Firmen hinwiesen. Schließlich wurde ihm das Schema der Eintragungen klar: Die erste Zeile gab Materialtyp und -menge an, die zweite Name und Adresse des Absenders und so weiter. Seine Stimmung besserte sich. Er las mit wachsendem Verständnis und dem Gefühl, etwas Großes vollbracht zu haben, weiter. Etwa sechzig Lieferungen waren aufgeführt. Es schien drei Haupttypen zu geben: Riesige Mengen von rohem Uranerz, die aus den Minen in Südafrika, Kanada und Frankreich in die europäischen Veredelungsanlagen kamen; Brennstoffelemente, Oxyde, Uranmetall oder angereicherte Mischungen, die von der Herstellung zu den Reaktoren transportiert wurden; und verbrauchter Reaktorbrennstoff, der zur Wiederaufbereitung oder Ablagerung gebracht wurde. Einige Lieferungen fielen aus dem Rahmen; sie betrafen meist Plutonium und Transuranelemente, die man aus verbrauchtem Brennstoff gewann und an Universitätslaboratorien und Forschungsinstitute sandte.
Dickstein schmerzte der Kopf, und seine Augen hatten sich getrübt, als er endlich fand, was er gesucht hatte: Auf der allerletzten Seite war eine Lieferung unter der Überschrift » NICHT-NUKLEAR « verzeichnet.
Der Physiker mit der geblümten Krawatte aus dem Weizmann-Institut hatte ihm in aller Kürze die nichtnukleare Verwendung von Uran und seinen Verbindungen erläutert: im Bereich der Fotografie, zum Färben, als Tönungsmittel für Glas und Keramik und als industrielleKatalysatoren. Natürlich verlor das Zeug sein Spaltpotential nicht, wie alltäglich und harmlos seine Benutzung auch sein mochte, so daß die Euratom-Vorschriften immer noch gültig waren. Dickstein hielt jedoch für wahrscheinlich, daß die Sicherheitsmaßnahmen in der herkömmlichen industriellen Chemie weniger streng sein würden. Die Eintragung auf der letzten Seite
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