Dreikönigsmord (German Edition)
Herzinfarkt nahe. Dabei mag ich sowieso kein Schweinefleisch.« Es schüttelte Jo, als sie an den Gestank in der Küche dachte und an die Haut des Viehs, die vor Fett glänzte, dort, wo sie nicht verkokelt war. »Jedenfalls geht es mir wie dir. Ich werde mich auch nie mehr über berufliche Überstunden beklagen, wenn wir wieder in die Gegenwart zurückgekehrt sind.« Sie gähnte und kramte in ihrem Bündel. »Irgendwie müssen wir diese Tür aufkriegen. Ich habe eine Art Schraubenzieher mitgebracht.«
»Simsalabim – schon geschehen. Optimales Zeitmanagement, während ich auf dich gewartet habe.« Lutz zog die Tür auf. Etwas an seinem Bündel klimperte metallisch. Als Jo ihre Blendlaterne einen Spalt öffnete und den Schein darauf richtete, sah sie, dass es sich dabei um einen Bund Dietriche handelte.
»Wo hast du die denn her?«
»Das willst du gar nicht wissen.« Er ließ ihr den Vortritt. Der Schein von Jos Lampe huschte durch den Schuppen. Einige verstaubte, mit Spinnweben behangene Regale. Körbe, die ineinander gestapelt waren. Eine Luke, die mit einem Laden verschlossen war. Dann fiel das Licht auf ein Kleiderbündel. Nein, es war kein Kleiderbündel, sondern Frowin. Die beiden Männer, die ihn am Mittag in den Schuppen getragen hatten, hatten ihn einfach auf dem gestampften Lehmboden abgelegt. Wie Anselm war auch er ein Fremder und zudem arm. Er war nicht wichtig.
Jo schluckte. »Lass uns ihn ausziehen«, sagte sie ein wenig rau. Frowin seiner Kleidung zu entledigen war nicht einfach, denn sein Körper war gefroren. Sie versuchte, nicht an den jungen Mann zu denken, der ihr in der Kaschemme gegenübergesessen und sie an einen unsicheren Teenager erinnert hatte.
Als Frowin endlich nackt vor ihnen lag, reichte Jo Lutz die Laterne. »Halt mal. Und lass das Licht langsam über den Körper wandern.« Konzentriert betrachtete sie den Leichnam. In der Kehle klaffte ein tiefer Schnitt – wie bei Anselm. Eine dicke Schicht getrockneten Bluts überzog Frowins untere Gesichtshälfte. Schlieren waren weit die Brust hinuntergelaufen, obwohl die Kleidung einen Teil des Bluts aufgesogen hatte. Überall auf der bläulich-grau verfärbten Haut zeichneten sich alte und neue Striemen ab.
»Ziemlich übles Sadomaso«, hörte sie Lutz sagen.
»Ja … Richte den Schein mal auf seine Brust. Ja, hierher … Nicht wackeln!«
»Ich bin doch keine Neonröhre …«
Jo pickte mit ihrer Pinzette einen kleinen Knubbel aus dem geronnenen Blut und hielt ihn unter den Lesestein. Ja, im Licht der Lampe und in der Vergrößerung war zu erkennen, dass dies eine Fluse war. Aber die Farbe war wegen der Verunreinigung unidentifizierbar.
»Mist!« Sie seufzte gereizt.
»Sei doch nicht so ungeduldig«, versuchte Lutz zu beschwichtigen. »Wir haben ja Frowins Kleidung noch gar nicht untersucht.«
Aber so genau sie sich auch Mantel, Kittel und Hose des Toten vornahmen, sie fanden keinerlei Spuren, die ihnen weitergeholfen hätten. Und auch als sie Frowin vorsichtig auf den Bauch drehten und seinen Rücken untersuchten, entdeckten sie keine neuen Spuren. Entmutigt begann Jo schließlich, einen feinen Kamm durch seine braunen Haare zu ziehen. Strohhalme und Erdklümpchen lösten sich daraus. Und etwas, das wie kleine klebrige Eier aussah.
»Läuse!« Jo schrie auf und ließ den Kamm fallen.
Lutz beugte sich vor. »Nimm dich zusammen! Du weckst ja noch alle Leute im Umkreis von hundert Metern.«
»Das ist so eklig.«
»Herr im Himmel, hast du im Kindergarten nie Läuse gehabt? Oder dich mit einem toten Obdachlosen befassen müssen? Oder mit Leichen, die von Maden wimmeln?«
»Ja, natürlich. Aber dann habe ich immer Schutzkleidung getragen.« Jo schüttelte sich und rückte ein Stück von Frowins Leichnam weg.
»Halt du die Lampe.« Lutz hob den Kamm auf und machte sich an die Arbeit. Wieder blieben Läuseeier und ein Strohhalm in den Zinken hängen. Aber da war noch etwas. Er stutzte und griff nach der Pinzette. Ja, tatsächlich, ein kurzes Fädchen hatte sich in dem Kamm verfangen. Er hielt die Pinzette in den Lichtstrahl.
»Eine blaue Fluse«, murmelte Jo, die die Pinzette aus einem Sicherheitsabstand beäugte. »Aus Seide, wie die, die wir in Anselms Kleidung gefunden haben.«
»Ja, wenn du mir nun bitte eines deiner Spuren-Aufbewahrungsbehältnisse reichen könntest.«
Jo schob ihrem Kollegen ein mit einem Korken versehenes Tongefäß über den Boden zu. »Ich habe übrigens heute Nachmittag mit der Äbtissin gesprochen«,
Weitere Kostenlose Bücher