Dreiländermord
Rechtskurve zu,
und bemerkte einen Knall, das leichte Schlingern am Heck der Fahrerseite, das zu
einer immer stärker werdenden Schlangenbewegung wurde, die seine Lenkbemühungen
nicht registrierte. Der Polo fuhr immer schneller werdend geradeaus und weiter über
den flachen Graben. Leicht abgebremst stolperte er den Abhang hinunter. Böhnke kam
sich vor wie auf der Achterbahn auf dem Öcher Bend, obwohl er bei seinen Kirmesbesuchen
dort noch nie auf einer Achterbahn gesessen hatte. Erst langsam, dann immer schneller
zwischen den Büschen und Bäumen sprang der Wagen über den Hang, bis er endlich an
einem Baumstumpf hängen blieb. Böhnke konnte nur tatenlos ansehen, was geschah.
Mit einem Ruck hatte es ihn in den Sicherheitsgurt gerissen. Ihm wurde schwindelig.
Mühevoll löste er sich aus den Bändern, mit letzter
Kraft kletterte er aus dem Wagen und fiel hin. Die Straße war nicht zu erkennen.
Böhnkes Blick bergauf endete in den Wolken. Man würde ihn hier nicht finden. Wenn
er es nicht bis zur Straße schaffte, würde ihn niemand bemerken. Er wollte sich
aufrappeln, doch da kam die Ohnmacht, schwappte die Schwäche über ihn, offenbarte
sich seine heimtückische Erkrankung.
Wer sollte ihn finden, war sein letzter Gedanke, danach wurde ihm schwarz
vor Augen. Er sah das besorgte Gesicht seiner Liebsten vor sich, bis auch diese
Gedankenwelt ausgeknipst wurde.
Sein letzter Gedanke nach dem Unfall glich der Aussicht, die sich ihm
nach dem Aufwachen präsentierte. Als Böhnke im Krankenbett die Augen öffnete, erkannte
er seine Apothekerin, die neben ihm auf einem Stuhl saß. Dass er in einem Krankenzimmer
lag, war ihm sofort bewusst. »In welchem Krankenhaus liege ich denn?«, flüsterte
er mit ausgetrockneter Kehle. Es wunderte ihn, dass er an keine Geräte angeschlossen
war und sich keine Infusionsflasche in seiner Nähe befand.
»In Simmerath, Rudolf-Günther. Man hat dich nach Simmerath gebracht.«
Das war so eine Antwort, die ihn üblicherweise auf die Palme gebracht
hätte. Wer, verdammt noch mal, ist man?, wäre seine übliche Reaktion gewesen. Doch
er hielt sich zurück.
Lieselotte lächelte milde, sie hatte seinen Gedanken erraten. »Man
ist ein belgischer Kommissar, hat mir der Arzt gesagt. Du hattest dich mit ihm verabredet,
bist nicht gekommen, deshalb hat er dich gesucht und deinen Unfall entdeckt. Du
bist an einer Stelle von der Straße abgekommen, die für Unfälle berüchtigt ist.
Der Kommissar hat wohl gemeint, dass du in Simmerath besser aufgehoben wärst als
in einem belgischen Hospital.« Sie sah Böhnke mit traurigen Augen an. »Es steht
nicht gut mit dir. Deine Werte sind miserabel. Dein Kreislauf ist total durcheinander.
Dein Blut spielt verrückt. Du brauchst jetzt absolute Ruhe. Wahrscheinlich hast
du eine Attacke erlitten und nach dem Unfall einen Ohnmachtsanfall, vermuten die
Ärzte. Du hast dich übernommen und hättest das fast mit deinem Leben bezahlt.«
Böhnke schwieg. Konnte das sein? Er hatte doch einen Knall gehört.
Es war nicht seine körperliche Schwäche gewesen, die zu diesem Unfall geführt hatte,
es war etwas anderes. »Hat Kommissar Megrette etwas gesagt?«, fragte er.
»Nein. Er hofft nur, dass du wieder auf die Beine kommst. Das sei wichtiger
als alles andere.«
»Wann hat er mich denn gefunden?«
»Es war scheinbar kurz nach sechs.«
Böhnke fand diese Bemerkung aufschlussreich. »Erst hat Megrette die
Wohnung untersucht und sich danach auf die Suche nach mir gemacht«, folgerte er.
Wenn Megrette sonst nichts gesagt hatte, sprach das dafür, dass er nichts Wesentliches
herausgefunden hatte. Böhnke war zufrieden, solange er seinen körperlichen Zustand
ausklammerte. Sein Verstand schien wenigstens noch zu funktionieren, wenn auch sein
Körper äußerst schwach war.
Bevor er sich in seinem Einzelzimmer im Krankenhaus zu Tode langweilte,
würde er lieber zurück in seinen Hühnerstall, bemerkte Böhnke. Er wunderte sich
nicht, dass Lieselotte daraufhin aus dem Spind Kleidung für ihn holte.
Sie kannte ihn gut genug und damit auch seine
Angst, im Krankenhaus zu sterben. »Rudolf-Günther, komm und erhol dich zu Hause.
Aber wehe dir, du machst in den nächsten Tagen einen Schritt aus dem Garten auf
die Straße. Dann bringe ich dich um!«
Als er auf den Kalender blickte, stellte er fest, dass die Simmerather
Ärzte ihn fast drei Tage lang hatten schlafen lassen. Nur noch wenige Tage waren
es bis zum Beginn der Winterzeit. Er würde erfahrungsgemäß
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