Dreiländermord
einmal nachsehen, ob er etwas über den Mordfall Saggolny oder über das tote
Mädchen Angelika findet«, antwortete er. Er überlegte kurz, bevor er die zweite
Frage anging. »Und ich glaube nicht, dass er absagt. Er hat gegenüber der Zeitung
erklärt, dass der Fall Geffert erledigt ist, und dabei wird er bleiben. Demnach
hat er keinen Grund, morgen nicht zu mir zu kommen.« Er grinste. »Aber keine Sorge,
ich rufe dich an, wenn er absagt. Dann musst du mir morgen Gesellschaft leisten.«
»Morgen geht nicht. Da habe ich einen dringenden Termin«, entgegnete
Küpper spontan.
Böhnke hatte Rennickens richtig eingeschätzt.
»Selbstverständlich bleibt es bei morgen«, bestätigte der Kripochef
unmissverständlich während ihres Telefonats. »Ich breche nicht gleich in wilden
Aktionismus aus, nur weil ein kleiner Schreiberling sich wichtig tut und die Welle
macht. Solange der keine handfesten Beweise hat, ist die Sache erledigt. Und die
handfesten Beweise hat er nicht und kann er nicht haben, weil es sie nicht gibt.«
Böhnke sparte sich die Erwiderung, obwohl er
es besser wusste. Wahrscheinlich war es sinnvoller, unter vier Augen mit Rennickens
darüber zu sprechen. Auf einen Tag mehr oder weniger kam es nicht an, die Toten
wurden nicht lebendig und mögliche Täter waren wahrscheinlich längst über alle Berge.
»Also bis morgen Nachmittag«, sagte er abschließend und legte auf.
Er machte es sich in dem Gartenstuhl bequem und genoss die wärmenden
Sonnenstrahlen. Während des Dösens tauchte wieder das Gesicht des jungen Mannes
vor seinen Augen auf.
17.
cBöhnke erkannte Rennickens auf Anhieb wieder. »Sie haben sich überhaupt
nicht verändert«, meinte er freundlich, als er den Besucher aus Düren ins Haus einließ.
Das überraschte Aufblitzen in Rennickens’ Augen irritierte ihn, er wusste nur nicht,
warum. »Bei Ihrer Amtseinführung vor ein paar Jahren haben wir uns das erste Mal
kurz gesehen«, erklärte er.
»Stimmt«, lachte Rennickens. »Und es war zugleich leider auch das letzte
Mal gewesen.« Er schaute sich interessiert in der kleinen Wohnung um. »Gemütlich
haben Sie es hier«, meinte er. »Hier lässt es sich arbeiten.« Oder sterben, dachte
Böhnke für sich, der unaufgefordert Kaffee kochte, derweil Rennickens ungeniert
über die Bücherregale und den vollgepackten Couchtisch blickte. »Sie haben die Unterlagen
von Geffert.«
Sollte das eine Frage sein oder eine erstaunte
Bemerkung von Rennickens? Böhnke war sich darüber nicht im Klaren. »Mit etwas muss
sich der Mensch doch beschäftigen«, tönte er aus der Küchenzeile hinaus.
»Und?« Rennickens gewann die Oberhand über das Gespräch. »Auch auf
dem Mordtripp?«
Es spreche einiges für einen Mord, entgegnete Böhnke, die ungewöhnliche
Unterschrift auf dem Abschiedsbrief etwa, die Entdeckungen in Kelmis, das von allen
Daten befreite Handy.
Rennickens lachte böse auf. »Alles Indizien, aber keine Beweise. Wer
weiß, was er sich bei dem Handy gedacht hatte. Wahrscheinlich sollte es ein Erbe
verkaufen, es war ja neu und wertvoll.« Der Unterschrift messe er keine weitere
Bedeutung bei. »Mit den Kollegen in Belgien werde ich mich vielleicht in Verbindung
setzen, auch wenn das wahrscheinlich nicht viel bringen wird. Wenn die tatsächlich
eindeutige Hinweise hätten, hätten die sich längst gemeldet. Jedoch scheitert das
wahrscheinlich daran, dass alle möglichen Ministerien eingebunden und um Erlaubnis
gefragt werden müssen. Der Weg ist so mühselig, da lassen wir es lieber ganz sein.«
Er schüttelte unwirsch den Kopf. »Der Bahn hat mal wieder eine seiner Räuberklamotten
rausgehauen. Seriosität und genaue Recherche sind für den fremd«, urteilte Rennickens
abwertend über Bahns berufliche Qualität und betrachtete Böhnke, der mit einem vollen
Tablett zur Sitzecke gekommen war und die Tassen und die Kaffeekanne abstellte.
»Ich bin Ihnen noch einige Informationen schuldig«, fuhr er fort. »Ich
habe versprochen, noch einmal in den alten Akten zu stöbern, über die mein geschätzter
Kollege Küpper letztendlich gestolpert ist.« Die Ironie in seiner Stimme war unüberhörbar.
Interessant zu erfahren, wie Rennickens die Vergangenheit beurteilte,
dachte Böhnke. Küpper wurde von ihm unverblümt als Versager dargestellt, als untauglich
und gescheitert, als unfähig, erfolgreich eine Mordkommission zu leiten, geschweige
denn eine gesamte Polizeibehörde.
Böhnke schwieg zu Rennickens’ Einschätzung.
»Ich habe die
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