Dreiländermord
gut, fluchte Böhnke. Er war durchnässt, zitterte, fror und
schleppte sich mit kleinen Schritten mühsam voran.
Küpper hatte sich, ähnlich wie zuvor Böhnke, mit
dem Leichnam beschäftigt und ihn untersucht. Jetzt half er seinem Freund, soweit
es möglich war. Der steile Hang bergauf ließ sie immer wieder zwischen den Büschen
und Bäumen ausrutschen. Nur langsam gewannen sie Höhe und Abstand vom Rinnsal.
»Was wird aus Rennickens?«, keuchte Böhnke, als
er sich erschöpft an eine Buche lehnte, um eine Pause einzulegen.
Küpper konnte über Böhnkes Frage nur bitter lachen.
»Hast du keine anderen Sorgen? Der ist tot und du lebst. Nur das zählt. Um den werden
sich die Kollegen später kümmern. Wenn ich ihn nicht getötet hätte, wärst du gestorben,
mein Freund. Klarer Fall von Nothilfe.«
Der Bernhardiner schien kein Problem damit zu haben,
einen Menschen getötet zu haben; eine schicksalhafte Situation, die Böhnke gottlob
niemals durchleben musste. Aber wie konnte Küpper nur so kaltherzig sein? Oder war
es etwa Genugtuung, die er verspürte? Hätte der langjährige Kollege das Geschehen
am Tiefenbach nicht anders lösen können? Böhnke war sich unschlüssig. Musste er
dankbar sein oder hatte Küpper zu schnell geschossen?
»Der hat es nicht anders verdient.« Der Bernhardiner
schien Böhnkes Gedanken erraten zu haben. »Es ist gut, dass er tot ist.«
Zeitgleich mit dem Rettungswagen kamen die beiden Männer am kleinen
Parkplatz in der Talsohle an.
»Ich will nicht ins Krankenhaus. Ich will nach Hause«, stöhnte Böhnke.
»Ich muss mich umziehen.« Er spürte unerwartet Lebensgeister in sich, die er längst
verloren geglaubt hatte. »Ich bin vollkommen auf dem Damm. Ich gehöre nicht ins
Krankenhaus«, sagte er beharrlich.
Nach einer intensiven Untersuchung beugte sich der Notarzt dem Wunsch
des störrischen Alten. »Wenn es Ihr Wille ist, dann soll es so sein. Des Menschen
Wille ist sein Himmelreich. Vielleicht kommen Sie ja zu Hause schneller dorthin.«
Nach einer heißen Dusche fühlte sich Böhnke wesentlich besser als in
den vergangenen Monaten. War er krank oder war er gesund? Ich fühle mich gut, also
bin ich gesund, redete er sich ein.
»Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig, Küpper«, forderte
er streng, als er sich frisch geduscht und mit sauberen Sachen bekleidet zu seinem
Freund gesellte, der es sich auf der Couch im Wohnzimmer bequem gemacht hatte.
»Willst du die Langfassung oder reicht dir die kurze Version?«
»Ist mir einerlei. Ich will endlich wissen, was
los ist«, brummte Böhnke.
»Na gut.« Küpper hievte sich aus dem Sessel und
begann seinen Marsch durch den Raum, während er berichtete. »Ich bin ins Dürener
Polizeipräsidium, kaum war Rennickens zu dir aufgebrochen, und habe Wenzel daran
erinnert, dass ich noch etwas gut bei ihm habe.« Küpper grinste kurz. »So bin ich,
mein Freund. Und das alles nur, weil ich dem deine Handynummer gegeben habe. Ich
habe mir die Unterlagen über die Todesfälle heraussuchen lassen, weswegen Geffert
recherchiert hat. Du erinnerst dich doch an das tote Mädchen und das Protokoll zugunsten
des möglichen Verdächtigen, des Bauunternehmers, der bekanntlich inzwischen ebenso
tot ist wie der Zeuge, der zu seinen Gunsten aussagte. Die von Rennickens protokollierte
Aussage ist übrigens, wie du eventuell weißt, die eines Anwalts, der unlängst unser
Landrat im Kreis Düren war. Fritz Pech, der gleiche Kerl, der meine Abberufung durchgesetzt
und den Weg für Rennickens frei gemacht hat.« Küpper gab sich keine Mühe, seine
Verachtung zu verbergen. »Dieser Pech war es auch, der als Anwalt bei den Ermittlungen
im Fall des ermordeten Obsthändlers Saggolny intervenierte und permanent Zurückhaltung
forderte, um nicht das Unternehmen des Toten in Misskredit zu bringen.« Küpper funkelte
wütend. »Rennickens hat dem Anliegen prompt entsprochen. Nicht ohne Grund übrigens.«
Der Bernhardiner langte auf den Couchtisch und hob das Foto der Gnadenlosen hoch.
»Der Landrat ist der Typ neben Rennickens. Weitere Fragen?« Triumphierend sah Küpper
seinen früheren Kollegen an. »Jetzt weißt du oder ahnst es, wie die Geschichte gelaufen
ist: Die beiden haben sich gegenseitig geholfen.«
Musste er das verstehen? Böhnke konzentrierte sich. Der Landrat, Rennickens,
der Obsthändler, der Priester, der Bauunternehmer, der Maschinenbauingenieur, sie
alle hatten zu einer Gruppe gehört, einer verschworenen Gemeinschaft, deren
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