Dreiländermord
zugleich Böhnke gerettet.
Waren sie deshalb quitt? Böhnke verneinte die Frage, die er sich insgeheim
stellte. Küpper hatte ihn unter dem Vorwand, dem Journalisten Bahn zu helfen, aber
in der Absicht, sein eigenes berufliches Schicksal zu klären, absichtlich in die
Geschichte hineingezogen. Er hatte keine Hemmungen gehabt, seinen ehemaligen Kollegen
in eine lebensbedrohliche Situation zu bringen.
Konnte er ihn noch als Freund ansehen? Konnte er ihm überhaupt glauben?
Böhnke konnte nicht überprüfen, ob Küppers Behauptung stimmte, der Mann auf dem
Bild, der ihm so ähnlich war, sei der Landrat Fritz Pech gewesen. Der Mensch war
tot. Was wäre also, wenn Küpper und nicht der Landrat einer der Gnadenlosen war?
Kann nicht sein, beschloss er für sich. Ich gehe davon aus, dass es
nicht so ist.
»Ich brauche Urlaub«, sagte Böhnke langsam und anscheinend zusammenhanglos.
»In Fuerteventura?« Küpper sah ihn fragend an. »Hier war doch eine
Reisebestätigung, auch wenn ich sie nicht mehr sehe.«
»Warum eigentlich nicht? Du bringst mich auf eine Idee«, heuchelte
Böhnke auf Küppers Frage nach einem möglichen Ziel. »Wir haben Rennickens’ Reiseunterlagen.
Vielleicht kann ich seine Buchung übernehmen. Ist ja alles geplant und wahrscheinlich
auch bezahlt.«
Er ahnte, was Küpper beabsichtigte, als dieser nach dem Kalender griff.
Rasch blätterte der Bernhardiner vorwärts, stieß auf die Daten zu Rennickens’ Urlaub
und auf den Hinweis: ›Treffen mit D.‹. »Wäre schon interessant zu wissen, wer hinter
diesem Namen steckt.« Er hatte Böhnkes Gedanken unwissentlich aufgegriffen.
»Wäre außerdem förderlich, wenn wir Rennickens’ privates Telefon finden
könnten«, bemerkte er. Er müsse eins besitzen, das würde immer deutlicher werden.
»Auf seinem Diensthandy gibt es nur dienstliche Nummern. Davon hat er nicht ein
einziges Mal mit D. oder den anderen Männern telefoniert. Habe ich alles durchgecheckt.«
Er sah Böhnke durchdringend an. »Außerdem hat mir Wenzel versichert, dass Rennickens
ein zweites Mobiltelefon besaß, das er ausschließlich für private Zwecke nutzte.
Selbst Wenzel kennt diese Nummer nicht.«
»Du hast doch Rennickens abgesucht und nichts gefunden«, gab Böhnke
zu bedenken. »Er wird es im Bach verloren haben, als er zur Seite gekippt ist.«
»Glaubst du das etwa?«, fragte Küpper mit verkniffenem Blick.
»Hast du eine andere Erklärung?«, gab Böhnke wider besseres Wissen
zurück.
Der Bernhardiner schien wenig begeistert. »Dann kuriere du dich bei
deinem Urlaub auf Fuerteventura aus. Ich habe genug damit zu tun, das Chaos zu regeln,
das Rennickens uns hinterlassen hat.«
Ob Ironie in ihrer Stimme mitschwang oder ob sie es ernst meinte, hinterfragte
Böhnke besser nicht.
»Ist vielleicht ganz gut, wenn du nach dem kalten Wasser im Tiefenbach
ein wenig wärmende Sonne auf den Kanaren tanken kannst«, sagte Lieselotte lapidar.
»Ich kann dich aber nicht begleiten. Ich kann keinen Urlaub machen.« Sie hielt ihn
keineswegs davon ab, die auf ihn umgebuchte Reise anzutreten. Er hatte noch nicht
einmal eine Gebühr dafür zahlen müssen, was ihn überraschte. Das Reisebüro hatte
sich ganz pragmatisch für die einfachste Lösung entschieden und die gebuchte Reise
auf ihn übertragen, statt sie zu stornieren und neu zu verkaufen.
Lieselotte spürte oder wusste, dass Böhnke auf die Wüsteninsel wollte,
um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Ihre Bedingung, sich zuvor gründlich medizinisch
untersuchen zu lassen, erfüllte er gerne und mit einem für ihn erfreulichen Ergebnis.
Seit Langem waren seine Blutwerte nicht mehr so
gut gewesen wie dieses Mal. Die scherzhafte Bemerkung seines Arztes, Böhnke schiene
im Polizeidienst besser aufgehoben zu sein denn als Pensionär, machte ihn froh.
Das unvermeidliche Ende seiner Laufbahn hatte sich wohl weiter in die Zukunft verschoben.
Immer wieder ging Böhnke seine Unterlagen durch, die aus Gefferts Ordner,
Rennickens’ Kalender und seinen eigenen Notizen bestanden. Der Schlüssel lag seiner
Ansicht nach bei dem Journalisten. Geffert musste ein Geheimnis herausgefunden haben,
das die noch lebenden Freunde des Lebensmittelhändlers in Panik versetzt und zu
todbringenden Aktionen verleitet hatte.
Rennickens’ privates Handy hatte er mehrmals überprüft, angenommene
und ausgehende Anrufe, Notizblock, SMS, Register, alle Dateien waren leer. Nicht
einmal seine eigene Nummer hatte Rennickens vermerkt.
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