Dreiländermord
Glücklicherweise hatte er
das gleiche Ladegerät für sein Handy, das auch Böhnke nutzen musste. So konnte das
Telefon wenigstens ununterbrochen in Betrieb gehalten werden. Doch es meldete sich
niemand.
Wie sollte er Kontakt zu D. aufbauen? Ein Mann, der mindestens Mitwisser,
wenn nicht sogar Mittäter oder im äußersten Fall der Haupttäter war. Wieder wandte
sich Böhnke den Unterlagen von Geffert und dessen Telefonliste zu, und wählte die
Nummer, die ihn schon einmal mit einem spanischsprachigen Anrufbeantworter verbunden
hatte. So war es auch dieses Mal und er legte auf.
Wenige Sekunden später erklang aus dem Nebenzimmer die Melodie des
River-Kwai-Marsches. Rennickens’ Handy. Böhnke suchte hektisch, bis er das Gerät
fand. ›Unbekannt‹, stand auf dem Display. Sollte er abheben oder warten?
Er traf spontan eine Entscheidung: »Hallo?«
Sofort wurde der Anruf abgebrochen. Zwei Dinge, vielleicht sogar drei
wurden ihm bewusst: Nicht Gefferts Nummer hatte den Anruf ausgelöst, sondern ein
anderer hatte versucht, Rennickens zu erreichen. Und dieser hatte kein Interesse
daran, mit jemand anderem zu sprechen als mit Rennickens.
Wozu habe ich denn Freunde, überlegte er sich, wobei er diese Freundschaft
zugleich in Zweifel zog, und rief Küpper an. »Sorge bitte dafür, dass ich erfahre,
wer sich hinter einer bestimmten, vermutlich spanischen Telefonnummer verbirgt.«
Nachfragen ließ er nicht zu. »Du bist mir noch verdammt viel schuldig, auch wenn
du mein Leben gerettet hast.«
Küpper atmete hörbar durch. »Irgendwann wird meine Schuld getilgt sein,
mein Freund. Ich helfe dir, wo ich kann.«
Wie Küpper innerhalb weniger Tage an die Information gelangt war, interessierte
Böhnke nicht. Hauptsache, er hatte sie. Gespannt lauschte er den Ausführungen.
»Die Nummer gehört zu einer Prepaid-Karte, die auf Fuerteventura angemeldet
wurde. Auf einen Gonzales Sowieso. Irgendetwas Unaussprechliches. Meine spanischen
Kollegen gehen aber davon aus, dass das nur ein Deckname ist. Gonzales Sowieso ist
vermutlich Inhaber eines Handy-Shops in Morro Jable, ein Kaff im Süden der Insel.
Der macht das offensichtlich für Kunden, die nicht gerne identifiziert werden wollen.
Ich weiß noch nicht einmal, ob das illegal ist. Wahrscheinlich hat sich dieser Gonzales
für ein paar Euros breitschlagen lassen, den Vertrag zu unterschreiben. Er hat übrigens
mehrere Prepaid-Handys. Es sind insgesamt fünf, von denen drei in Betrieb sind«,
berichtete Küpper.
»Woher kommt das Guthaben auf den Telefonkarten?«, wollte Böhnke wissen,
ohne sich für die Auskunft zu bedanken.
»Habe ich natürlich auch wissen wollen. Also, die Karten wurden immer
bar bezahlt und aufgefüllt. In Fuerteventura.«
Wenn er es richtig verstanden hatte, besaß Rennickens
ein Handy, mit dem er mit einem anderen, wahrscheinlich diesem D., in Kontakt stand.
Rennickens brauchte sich um nichts zu kümmern: Wenn sein Guthaben verbraucht war,
lud der andere es wieder auf.
Bereitwillig nannte Küpper die drei noch aktivierten Mobilnetznummern.
Eine strich Böhnke sofort. Es war die Nummer des Handys, das beim Pastor gefunden
worden war und ebenso leer war wie die, die Böhnke untersucht hatte. Die zweite
Nummer kam ihm auf Anhieb bekannt vor. Es war die, die auch Geffert besaß und die
einen mit dem spanischen Anrufbeantworter verband. Die dritte Nummer konnte ihn
nicht mehr überraschen: Sofort erklang der River-Kwai-Marsch, nachdem er sie angewählt
hatte.
Das war die Verbindung zwischen Rennickens und D. Er hatte richtig
verstanden. Deshalb hatte der unbekannte D. aufgelegt, als sich ein anderer als
Rennickens meldete. Böhnke hoffte, dass D. das Handy und die Telefonnummer noch
einige Zeit behielt. So bestand wenigstens die Möglichkeit, verbal mit ihm Kontakt
aufnehmen zu können.
In dem Reiseführer, den er in der Simmerather Buchhandlung an der Hauptstraße
gekauft hatte, fand er zwar Hinweise auf die Insel Fuerteventura und auf ihre durch
den Menschen verursachte großflächige Verwandlung zu einer Steinwüste mit einigen
wenigen Orten und Touristenzentren, die sich vornehmlich im Norden und an der Ostküste
befanden. Darüber hinaus kam er einer Antwort auf seine Frage, warum Rennickens
ausgerechnet nach Esquinzo fahren wollte, nicht sehr viel näher. Der kleine Ort
wies außer Tourismus nichts vor, lag auf der Halbinsel Jandia am weitläufigen Sandstrand
zwischen Morro Jable im Süden und Costa Calma im Norden. Dort erstreckte sich
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