Dreiländermord
wohl erledigt, meinte sie
leichthin. »Da ist bestimmt etwas schief gelaufen und hat sich in der Zwischenzeit
geklärt.« Dennoch hätte sie tagsüber mehrfach versucht, Küpper zu erreichen und
ihn zu informieren. Allerdings habe er sich nicht mehr gemeldet.
»Hast du mit dem Kollegen aus Aachen telefoniert?«
»Nein. Warum sollte ich? Ich mache Urlaub und
bin nicht auf Verbrecherjagd.« Böhnke staunte, mit welcher Gelassenheit er die eigene
Absicht umging, da es nur zum Besten seiner Liebsten war. Warum sollte er Lieselotte
zusätzlich aufregen? Sie solle sich also nicht wundern, fuhr er fort, wenn sie tagsüber
keine Verbindung zu ihm bekäme. »Ich schalte gleich wieder ab, damit mich niemand
in meiner Ruhe stört«, versprach er abschließend und wartete keinen Augenblick länger,
als er musste, nachdem sie das Gespräch beendet hatten. Er wollte kein Risiko eingehen,
eventuell wegen eines zu langen Telefonats geortet zu werden.
Küpper würde er von einer Telefonzelle anrufen, irgendwo würde es in
dem Dorf bestimmt eine geben. Bislang war ihm zwar keine aufgefallen, jedoch hatte
er bisher nicht gezielt danach gesucht. Das wird sicherlich, meinte er zuversichtlich.
Er griff zu Rennickens’ Handy. Plötzlich kam ihm eine Idee. Schnell
verließ er sein immer noch leicht nach Chlor riechendes Zimmer, trat aus dem Hotel
und schaute sich suchend um. Näher, als er gedacht hatte, fand er eine Telefonzelle:
direkt auf der anderen Straßenseite neben dem Eingang zu einem weiteren Appartementhotel.
Mit wachsender Anspannung wählte er die Nummer, die er aus dem Telefonverzeichnis
von Rennickens’ Gerät kannte.
»Hola!«, meldete sich eine männliche Stimme, klar, kühl und selbstsicher.
»Quién va?«
»Mit wem spreche ich?« Mehr fiel Böhnke nicht ein. Er hatte gehofft,
D. würde sich mit seinem Namen nennen, wenn er nicht von Rennickens’ Handy angerufen
wurde. Doch der pensionierte Kriminalkommissar hatte sich getäuscht. Und war ein
wenig irritiert, weil das Spanisch flüssig und leicht gesprochen war, wie selbstverständlich.
Sein Experiment war fehlgeschlagen.
»Schöner Versuch, Herr Böhnke, nur Ihrer eigentlich nicht würdig.«
Und schon hatte der andere das Gespräch beendet.
Eher nachdenklich als enttäuscht klaubte Böhnke die zurückgefallenen
Cent-Stücke aus dem Geldschacht. Er sah die positiven Aspekte seines Fehlgriffs:
D. war nicht zu unterschätzen und fiel nicht auf jeden plumpen Trick herein. Und
er sprach nicht nur Spanisch, sondern auch ein fließendes und grammatikalisch einwandfreies
Deutsch. Welcher durchschnittlich gebildete Mensch würde Formulierungen verwenden
wie: ›Ihrer eigentlich nicht würdig‹?
Er griff in seine Jackentasche. Da bleibt nur noch das Handy, fluchte
er vor sich hin und drückte die Wahlwiederholungstaste.
Bereits mit dem ersten Klingelzeichen und für Böhnke überraschend wurde
die Verbindung aufgenommen.
»Sehen Sie, es geht doch, Herr Böhnke«, hörte er. Die Stimme klang
ruhig, beherrscht, ohne ironischen Unterton. Böhnke glaubte einen leichten Einschlag
herauszuhören. Aber er wusste den Klang nicht einzuordnen.
Statt der Bemerkung hätte die Stimme auch die Uhrzeit ansagen können,
so gelassen hörte sie sich an. Er würde sie als emotionslos beschreiben. Wer steckte
hinter dieser Stimme? Wer war der Mann, den er nur als D. kannte?
»Guten Abend, Herr …« Auch dieser Versuch scheiterte
ebenso kläglich wie der am Münztelefon.
»Mein Name tut nichts zur Sache, Herr Böhnke. Es geht nicht um mich,
es geht um Sie. Spätestens übermorgen hat die Polizei Sie in Gewahrsam genommen.
Wetten?«
»Was soll das?«, fauchte Böhnke irritiert. Er wollte sich nicht von
einem Unbekannten wie ein Tanzbär am Nasenring durch die Zirkusmanege führen lassen.
»Warum spielen Sie mit mir?«
»Spielen ist der richtige Ausdruck«, antwortete der Fremde weiterhin
gelassen. »Sie stehen im Weg, Herr Böhnke. Oder lassen Sie es mich anders ausdrücken:
Sie haben viel zu viel Unheil angerichtet. Es wird Zeit, dass Sie endlich abtreten,
gewissermaßen das Spielfeld verlassen.«
Böhnke erkannte die Chance, einzuschreiten und das Gespräch in eine
andere Richtung zu lenken. »Es ist nicht mein Verschulden, wenn Ihre Freunde kriminell
sind«, versuchte er sein Gegenüber zu provozieren. »Wenn etwa Rennickens mich töten
will, richtet er Unheil an, nicht ich.«
Der Unbekannte ließ sich überhaupt nicht beirren. »Es kommt immer auf
den Standpunkt an«,
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