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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Fahrstuhl und an die Treppe reicht, erleichtert sein lautloses Vorankommen. Er beugt sich über den Treppenschacht und horcht. Alles ist still. Behutsam schleicht er hinunter, wobei er ständig über das Geländer lugt, um sich zu versichern, dass die Luft rein ist. Sein Herz rast, er hört es laut und deutlich. So stark hat er lange nicht geschwitzt. Seine Haut neigt nicht zu übermäßiger Schweißbildung, doch jetzt spürt er die Nässe unter dem schwarzen Pullover und der schwarzen Hose.
    Vor dem letzten Treppenabschnitt hält er inne und versucht erneut, sich zu besänftigen. Durch das Pochen, das seinen Schädel erfüllt, glaubt er, gedämpfte Laute wahrzunehmen. Ein Radio oder einen Fernseher möglicherweise. Wieder beugt er sich über den Treppenschacht, geht die letzten Stufen hinunter und betritt auf Zehenspitzen die Halle. Gegenüber ist eine Tür, die offenbar in den Garten führt. Linker Hand erstreckt sich ein dunkler Gang, und rechts befindet sich eine Flügeltür aus Milchglas, durch die Licht schimmert. Von dort kommen auch die Radio- oder Fernsehgeräusche, die jetzt deutlicher zu hören sind. Max nimmt das Tuch ab, das er immer noch um den Kopf trägt, wischt sich damit den Schweiß aus dem Gesicht und stopft es in die Tasche. Sein Mund ist so trocken, dass die Zunge sich an seinem Gaumen anfühlt wie Schmirgelpapier. Er schließt die Augen, nimmt drei tiefe Atemzüge, läuft durch die Halle, öffnet vorsichtig die Tür und verlässt das Gebäude. Die frische Nachtluft, der Duft der Gartenpflanzen und Bäume umfangen ihn und wirken wie eine Brise aus Optimismus, Energie und Lebensfreude. Er hält den Rucksack fest und hastet durch die Dunkelheit davon.
    »Verzeihen Sie die Unordnung«, sagte Fito Mostaza und schloss die Tür.
    Max antwortete nicht. Entsetzt starrte er auf die Leiche. Mauro Barbaresco in Hemdsärmeln lag auf dem Rücken in seinem fast geronnenen Blut. Das Gesicht wächsern, die Augen halb geschlossenen und glasig, den Mund aufgerissen und in der Kehle ein tiefer Schnitt.
    »Gehen Sie weiter«, riet Mostaza. »Und passen Sie auf, dass Sie nicht in das Blut treten. Es ist noch sehr rutschig.«
    Sie gingen durch den Flur in das hintere Zimmer, wo sich die Leiche des anderen Italieners befand. Sie lag quer vor der Küche, bäuchlings, ein Arm nach oben abgewinkelt, der andere unter dem Körper, das Gesicht in einer Pfütze aus rotem, teils bräunlichem Blut, das unter dem Tisch und den Stühlen eine lange Spur gebildet hatte. Im Raum hing ein schwerer, fast metallischer Geruch.
    »Fünf Liter pro Körper, mehr oder weniger«, bemerkte Mostaza mit Abscheu, als wäre ihm das alles ehrlich zuwider. »Macht zusammen zehn. Das ist eine ganze Menge, die hier geflossen ist.«
    Max sank auf den ersten Stuhl, den er finden konnte. Der andere sah ihn aufmerksam an. Dann griff er nach einer Flasche Wein, die auf dem Tisch stand, füllte zur Hälfte ein Glas und bot es ihm an. Max schüttelte den Kopf. Allein die Vorstellung, bei diesem Anblick etwas zu sich zu nehmen, verursachte ihm Übelkeit.
    »Wenigstens einen Schluck«, beharrte Mostaza. »Es wird Ihnen guttun.«
    Max gehorchte lieber, nippte also an dem Wein und stellte das Glas dann auf den Tisch. Mostaza stand neben der Tür – Tignanellos Blut ein paar Fingerbreit von seinen Schuhen entfernt –, hatte die Pfeife hervorgeholt und begann gelassen, sie zu stopfen.
    »Was ist hier passiert?«, presste Max schließlich hervor.
    Der andere zuckte mit den Schultern.
    »Eine der Schattenseiten dieses Berufs.« Mit dem Pfeifenende wies er auf den Toten. »Ihres Berufs.«
    »Wer hat das getan?«
    Mostaza sah ihn erstaunt an.
    »Ich, natürlich.«
    Max sprang auf und warf dabei den Stuhl um, erstarrte jedoch mitten in der Bewegung, gelähmt vom Anblick des Gegenstandes, den Mostaza aus seiner Jackentasche gezogen hatte. Die noch kalte Pfeife in der Linken, hielt Mostaza eine kleine, glänzende, vernickelte Pistole in der rechten Hand. Doch er zielte damit nicht auf Max. Er hielt sie ihm lediglich hin, in einer fast entschuldigenden Geste. »Bitte heben Sie den Stuhl auf und setzen Sie sich wieder. Seien wir nicht theatralisch.«
    Max tat, wie ihm geheißen. Als er saß, war die Pistole in Mostazas Tasche verschwunden.
    »Haben Sie, was Sie holen wollten?«, fragte Mostaza.
    Max starrte auf den toten Tignanello in seiner halb getrockneten Blutlache. Er hatte einen Schuh verloren, der ein Stück weiter auf dem Boden lag, und der Socken war an der

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