Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
fröhlich, und in den vier Tagen, die er in Paris blieb, traf er sich weiter mit ihr. Sie bot ihm willkommene Deckung, und außerdem konnte er ihr zehntausend Francs abluchsen, die nun noch zu den dreißigtausend aus Tomás Ferriols Safe kamen. Am fünften Tag, nachdem er viel über die nahe Zukunft nachgedacht hatte, ließ sich Max sein gesamtes Geld, das er auf der Barclays Bank in Monte Carlo hatte, überweisen und hob es bar ab. Anschließend kaufte er im Reisebüro Cook in der Rue de Rivoli eine Fahrkarte nach Le Havre und eine Schiffspassage auf der Normandie nach New York. Als er seine Rechnung im Hotel Meurice bezahlt hatte, steckte er die Briefe des Grafen Ciano in einen Umschlag aus festem Manilakarton und sandte sie per Kurier an die italienische Botschaft. Er fügte weder eine Karte noch irgendeine erklärende Notiz hinzu. Bevor er den Umschlag zusammen mit einem Trinkgeld dem Hotelportier übergab, hielt er noch einmal inne und lächelte. Er nahm den Füllfederhalter aus der Tasche und schrieb als Absender die Namen Mauro Barbaresco und Domenico Tignanello auf die Rückseite des Kuverts.
Max hat jegliches Zeitgefühl verloren. Nach der Dunkelheit, dem Verhör, dem Schmerz und den unablässigen Schlägen überrascht es ihn, noch Tageslicht zu erblicken, als sie ihm das nasse Handtuch wieder abnehmen. Er hat rasende Kopfschmerzen, das Blut rauscht in seinen Schläfen, und bei jedem Pochen seines stolpernden Herzschlags hat er das Gefühl, die Augen müssten ihm aus den Höhlen springen. Allerdings haben sie vor einer Weile aufgehört, ihn zu prügeln. Jetzt hört er sie Russisch sprechen, und indem seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnen, nimmt er allmählich schemenhafte Gestalten wahr. Als er sie endlich klar erkennen kann, bemerkt er einen fünften Mann im Zimmer: blond, korpulent, mit wässrig blauen Augen, die Max neugierig anstarren. Der Mann kommt ihm bekannt vor, wenngleich er in seinem Zustand weder Gedanken noch Erinnerungen zu ordnen vermag. Der blonde Mann macht eine ungläubige, missbilligende Geste. Dann schüttelt er den Kopf und wechselt einige Worte mit dem Schnurrbärtigen, der nicht mehr auf dem Stuhl sitzt, sondern sich erhoben hat und ebenfalls Max ansieht. Dem mit dem roten Schnurrbart scheint nicht zu gefallen, was der andere sagt, denn er reagiert offensichtlich gereizt und ungeduldig. Der andere bleibt beharrlich, und der Ton der Unterhaltung verschärft sich. Zum Schluss erteilt der Blonde einen knappen, harschen Befehl und verlässt das Zimmer. Im selben Moment erkennt Max in ihm den Großmeister Michail Sokolow.
Der mit dem roten Schnurrbart nähert sich Max. Er betrachtet ihn mit kritischem Blick, als begutachtete er den entstandenen Schaden, den er allzu groß nicht zu finden scheint, denn er zuckt mit den Schultern und herrscht seine Kollegen an. Max verkrampft sich erneut in Erwartung des nassen Handtuchs und weiterer Schläge, doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen bringt der mit den glatten Haaren ein Glas Wasser und drückt es ihm unsanft an den Mund.
»Du hast großes Glück«, bemerkt der mit dem roten Schnurrbart.
Max trinkt gierig und verschüttet das Wasser. Mit tropfendem Kinn und nasser Brust sieht er den anderen an, der ihn seinerseits mit finsterer Miene mustert.
»Du bist ein Dieb, ein Betrüger und ein vorbestrafter Verbrecher«, sagt der Russe, wobei sein Gesicht Max so nahe kommt, dass sie einander fast berühren. »Noch heute wird dein Chef Doktor Hugentobler in seiner Klinik am Gardasee über alles in Kenntnis gesetzt. Er wird auch erfahren, dass du dich mit seinen Anzügen, seinem Geld und seinem Rolls-Royce in Sorrent gespreizt hast wie ein Pfau. Aber vor allen Dingen wird dir die Sowjetunion niemals verzeihen, was du getan hast. Wo du auch hingehst, werden wir dir das Leben schwer machen. Bis eines Tages jemand an deine Tür klopft und den Rest erledigt, den wir heute übrig gelassen haben. Daran wirst du ab jetzt immer denken, jeden Abend beim Einschlafen und jeden Morgen, wenn du die Augen aufschlägst.«
Nach diesen Worten gibt der mit dem roten Schnurrbart dem mit der schwarzen Lederjacke einen Wink, und der lässt mit einem Klicken ein Schnappmesser aufspringen. Benommen spürt Max, dass seine Fesseln durchschnitten werden. Und unvermittelt setzt in seinen tauben Armen und Beinen ein so schmerzhaftes Kribbeln ein, dass er aufstöhnt.
»Jetzt mach, dass du rauskommst, und such dir ein möglichst tiefes Loch, um dich zu
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