Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
dem Kellner mit hochgezogenen Brauen bedeutete, die Rechnung zu bringen. »Sie sagt, Sie seien der beste Salontänzer, der ihr je begegnet ist. Auch ihr wird es ein Vergnügen sein.«
Ohne auf die Summe zu achten, unterzeichnete de Troeye mit seiner Kabinennummer, legte einen Schein als Trinkgeld auf das Tellerchen und stand auf. Automatisch machte Max Anstalten, sich ebenfalls zu erheben, doch de Troeye legte ihm die Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück. Energischer, als man es von einem Musiker erwartet hätte.
»Ich möchte Sie gewissermaßen um einen Rat bitten.« Mit lässiger Gebärde hatte de Troeye die Taschenuhr an der Goldkette hervorgeholt und schaute darauf. »Um zwölf also? Kabine 3A. Wir erwarten Sie.«
Mit diesen Worten wandte er sich ab, ohne Max Zeit für eine Antwort zu lassen, offenbar überzeugt, dass der Eintänzer die Verabredung einhalten würde. Und nachdem Armando de Troeye die Bar verlassen hatte, starrte Max noch eine Weile auf die Tür, durch die er verschwunden war. Max überlegte, wie sich diese unerwartete Wendung auf seine Pläne auswirken würde oder könnte. Alles in allem eröffneten sich ihm dadurch vielleicht ganz neue Möglichkeiten, und die Sache würde noch profitabler, als er angenommen hatte. Zu diesem Schluss gelangt, legte er einen Zuckerwürfel auf einen kleinen Löffel, hielt diesen über das Absinthglas, goss etwas Wasser darüber und sah zu, wie der Zucker sich in der grünlichen Flüssigkeit auflöste. Er grinste in sich hinein und hob das Glas an die Lippen. Der starke, süße Geschmack des Getränks erinnerte ihn diesmal weder an den Obergefreiten Boris Dolgoruki noch an diemarokkanischen Spelunken. Ihn beschäftigte das Perlencollier, das er beim Tanzen im Licht des Kronleuchters in Mecha Inzunza de Troeyes Dekolletee hatte schimmern sehen. Und auch die Linie ihres nackten Halses, die sich von ihren Schultern bis in den Nacken schwang. Am liebsten hätte er einen Tango gepfiffen, entsann sich aber gerade noch, wo er sich befand. Beim Aufstehen war der Absinthgeschmack in seinem Mund süß wie die Verheißung von Liebe und Abenteuer.
Spadaro hat gelogen: Das Zimmer ist zwar klein, ausgestattet mit einer Kommode und einem antiken Spiegelschrank, das Badezimmer ist eng und das schmale Bett nicht der Rede wert. Aber dass es keine Aussicht hat, ist nicht wahr. Durch das einzige Fenster, das nach Westen geht, sieht man den Teil von Sorrent oberhalb der Marina Grande, die Bäume des Parks und die Villen am Hang der Punta del Capo. Und wenn Max beide Fensterflügel öffnet und sich hinauslehnt, erkennt er, geblendet von der Sonne, noch einen Teil des Golfs und in der Ferne die verwischten Umrisse der Insel Ischia.
Frisch geduscht, nur im Bademantel mit dem eingestickten Emblem des Hotels auf der Brusttasche, begutachtet sich Doktor Hugentoblers Chauffeur in dem großen Spiegel der Schranktür. Sein scharfer Blick – darauf geeicht, Menschen kritisch zu beobachten, weil davon immer der Erfolg oder Misserfolg aller seiner Unternehmungen abhing – fixiert das Spiegelbild des unbewegt dastehenden alten Mannes, sein feuchtes graues Haar, die Falten in seinem Gesicht, die müden Augen. Er sieht immer noch ganz passabel aus, findet er, selbst wenn man die Verwüstungen, die die Zeit in den Gesichtern von Männern seines Alters angerichtet hat, ohne Wohlwollen betrachtet. Fehlschläge, Verluste und Niedergang. Nicht wieder gutzumachendes Versagen. Er tastet über den Stoff des Bademantels: Gewiss, darunter ist er schwerer und fülliger als vor einigen Jahren, doch kann er sich damit trösten, dass sein Taillenumfang noch immer vertretbar ist, die Haltung aufrecht und der wache, intelligente Ausdruck seiner Augen ein Beweis dafür, dass er, trotz seines Abstiegs, trotz der dunklen Jahre und anschließenden Hoffnungslosigkeit, niemals wirklich aufgegeben hat. Wie ein Schauspieler, der eine schwierige Szene probt, lächelt Max den alten Mann im Spiegel unvermittelt an, und sofort erhellt sich auch dessen Miene, als erwiderte er spontan das Lächeln: sympathisch, gewinnend, exakt austariert, um Vertrauen einzuflößen. So bleibt er einen Moment reglos stehen, während er das Lächeln langsam erlöschen lässt. Dann nimmt er den Kamm von der Kommode und frisiert sich das Haar auf seine altmodische Weise nach hinten, mit einem hohen, schnurgeraden Scheitel auf der linken Seite. Seine Haltung erweckt noch immer einen Eindruck von Noblesse, denkt er, als er das Resultat
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