Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Schatten eines Zweifels an der Redlichkeit seiner Manieren, seines strahlenden Lächelns oder seiner Liebesbeweise gekommen. Man ermittelte gegen ein Zimmermädchen, dem dann auch gekündigt wurde, wenngleich man ihm nichts hatte nachweisen können. Die Versicherung der Schauspielerin regelte die Angelegenheit, und als Max sich anschickte, das Hotel zu verlassen, seine Rechnung bezahlte und Trinkgelder verteilte, erhielt Tiziano Spadaro einen ähnlichen Umschlag wie den, der jetzt vor ihm liegt, nur dicker.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich für Schach interessierst.«
»Nein?« Das breite, strahlende Lächeln gehört zu den erlesensten seines alten Repertoires. »Nun ja. Ich hatte schon immer eine kleine Schwäche dafür. Es ist eine sonderbare Welt. Und eine einmalige Gelegenheit, zwei der ganz großen Stars zu erleben ... Spannender als Fußball.«
»Was heckst du aus, Max?«
Gelassen hält Max seinem bohrenden Blick stand.
»Nichts, was deine Rente gefährden könnte. Du hast mein Wort. Und das habe ich immer gehalten.«
Eine lange Pause. Zwischen Spadaros Brauen bildet sich eine tiefe senkrechte Falte.
»Stimmt«, nickt er schließlich.
»Ich bin froh, dass du das noch weißt.«
Der Rezeptionist betrachtet die Knöpfe seiner Weste und zupft daran herum, als entfernte er Flusen.
»Die Polizei wird deine Anmeldung zu sehen bekommen.«
»Na und? In Italien war ich immer sauber. Außerdem hat die Polizei damit nichts zu tun.«
»Hör mal. Für gewisse Dinge bist du zu alt ... Wie wir alle. Vergiss das nicht.«
Ungerührt und ohne zu antworten sieht Max Spadaro weiter an. Der schaut auf das Kuvert, das noch immer ungeöffnet auf dem glänzenden Holz liegt.
»Wie lange?«
»Weiß nicht«, erwidert Max mit nachlässiger Gebärde. »Eine Woche wird reichen, nehme ich an.«
»Nimmst du an?«
»Eine Woche reicht.«
Der andere tippt mit einem Finger auf den Umschlag. Dann schlägt er seufzend das Reservierungsbuch auf.
»Eine Woche. Mehr kann ich dir nicht garantieren. Dann sehen wir weiter.«
»Einverstanden.«
Spadaro drückt dreimal mit der flachen Hand auf die Klingel, um einen Pagen herbeizubeordern.
»Ein kleines Einzelzimmer ohne Aussicht. Frühstück geht extra.«
Max zieht seinen Ausweis aus der Jackentasche. Als er ihn auf den Tresen legt, ist der Umschlag verschwunden.
Überrascht sah er den Komponisten die Bar der zweiten Klasse betreten. Es war später Vormittag, und Max saß aneinem breiten offenen Schiebefenster, das auf das Backborddeck hinausging, beim Aperitif: einem Glas Absinth mit Wasser und ein paar Oliven. Er mochte diesen Platz, weil er von dort aus den ganzen Salon überblickte – hier standen Korbsessel, keine roten Ledersofas wie in der ersten Klasse – und zugleich die Aussicht aufs Meer genießen konnte. Das Wetter war fortgesetzt schön, die Sonne schien den ganzen Tag, und die Nächte waren sternenklar. Nach achtundvierzig Stunden lästigen Seegangs hatte das Schiff aufgehört zu schwanken, die Passagiere schritten wieder sicherer aus und sahen einander an, statt nur auf die Bewegungen des Bodens unter ihren Füßen zu achten. Max, der den Atlantik schon fünfmal überquert hatte, erinnerte sich jedenfalls nicht, je eine so angenehme Schiffsreise erlebt zu haben.
An den benachbarten Tischen spielten zumeist männliche Passagiere Karten, Backgammon, Schach oder Steeplechase. Max spielte nur gelegentlich und aus praktischen Gründen. Nicht einmal als Soldat in Marokko hatte er die Leidenschaft nachempfinden können, mit der manche Männer das Glücksspiel betrieben. Er beobachtete aber mit großem Vergnügen die auf den Transatlantiklinien verkehrenden professionellen Kartenspieler. Ihre Tricks, Bluffs und Torheiten, ihre unterschiedlichen Reaktionen, ihren Verhaltenskodex, der die menschliche Natur in allen Schattierungen berücksichtigte, waren eine hervorragende Schule, wenn man richtig hinsah; und Max wusste daraus nützliche Lehren zu ziehen. Wie auf allen Schiffen der Welt gab es auch an Bord der Cap Polonio Glücksspieler erster, zweiter und sogar dritter Klasse. Die Besatzung war selbstverständlich im Bilde; und sowohl der Bordkommissar als auch die Stewards und Oberkellner kannten einige der Angestammten, behielten sie im Auge und unterstrichen ihre Namen in den Passagierlisten. Vor langer Zeit hatte Max einmal auf der Cap Arcona einen Mann namens Brereton kennengelernt, eine Legende unter den Spielern, weil er in dem schon schräg stehenden
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