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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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den Rest Absinth aus und sah den Komponisten an, der ihm freundschaftlich zulächelte. »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Selbstverständlich. Und das ist hochinteressant. Sie erweisen sich als eine höchst erfreuliche Bekanntschaft, Herr Costa.«
    Max erinnerte sich nicht, ihm oder seiner Frau je seinen Familiennamen genannt zu haben. Möglicherweise hatte de Troeye die Liste des Bordpersonals durchgesehen? Ohne diesen Gedanken weiter zu verfolgen, fuhr er fort, die Neugierde seines Gesprächspartners zu befriedigen. Mit dem Pariser Stempel versehen, erzählte er weiter, sei der Tango für die argentinische Oberschicht, die ihn früher als unmoralischen Bordelltanz verteufelt habe, sofort zum Knüller geworden. Ab sofort sei er nicht mehr dem Pöbel vorbehalten gewesen, sondern habe Einzug in die Salons gehalten. Bis dahin habe es echte Tangomusik, zu der in den Hafenkneipen von Buenos Aires Huren und Kriminelle tanzten, bei feinen Leuten allenfalls hinter verschlossenen Türen gegeben, wenn die Mädchen aus gutem Hause sie heimlich auf dem Klavier spielten, nach Partituren, die ihre Freunde oder ihre vergnügungssüchtigen Brüder bei nächtlichen Zechtouren aufgetrieben hatten.
    »Aber Sie«, wandte de Troeye ein, »tanzen modernen Tango, wenn ich das mal so nennen darf.«
    Über das Wort modern musste Max schmunzeln.
    »Ja, klar. Das erwartet man von mir. Und ich kann auch gar nichts anderes. Ich habe in Buenos Aires niemals den alten Tango getanzt, da war ich noch zu klein. Aber zugeschaut habe ich oft ... Kurioserweise habe ich das, was ich kann, in Paris gelernt.«
    »Und wie sind Sie dorthin gekommen?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Sie würden sich langweilen.«
    De Troeye hatte dem Kellner ein Zeichen gegeben und, ungeachtet der Proteste des Eintänzers, eine weitere Runde bestellt. Offenbar war er es gewohnt, Runden zu bestellen, ohne jemanden zu fragen. Allem Anschein nach gehörte er zu denen, die sich als Gastgeber aufspielen mussten, selbst wenn sie an fremden Tischen saßen.
    »Mich langweilen? Ganz und gar nicht. Sie ahnen ja nicht, wie spannend ich das finde, was Sie mir da erzählen. Gibt es denn in Buenos Aires noch Leute, die den Tango auf die alte Weise spielen? Tango im Reinzustand, sozusagen?«
    Max überlegte einen Moment, dann wiegte er zweifelnd den Kopf.
    »Mit dem Reinzustand ist es vorbei. Aber es gibt noch die eine oder andere Kneipe. In den angesagten Tanzlokalen findet man das natürlich nicht.«
    Der andere betrachtete seine Hände. Breit und kräftig. Nicht feingliedrig, wie sich Max die Hände eines berühmten Komponisten vorgestellt hatte. Kurze, polierte Fingernägel. Der blaue Siegelring am selben Finger wie der Ehering.
    »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Herr Costa. Es geht um etwas, das mir sehr am Herzen liegt.«
    Die Getränke kamen. Max rührte seines nicht an. De Troeye lächelte, freundschaftlich und selbstgewiss.
    »Ich würde Sie gern zum Mittagessen einladen«, fuhr er fort, »um es näher zu besprechen.«
    Der Eintänzer verbarg seine Verblüffung hinter einem entschuldigenden Lächeln.
    »Vielen Dank, aber ich darf nicht in den Speisesaal der ersten Klasse. Das ist dem Personal untersagt.«
    »Sie haben recht.« Der Komponist legte die Stirn in Falten, als wägte er ab, bis zu welchem Grad er sich erlauben konnte, die Regeln an Bord der Cap Polonio zu missachten. »Das ist ein bedauerliches Hindernis. Wir könnten zusammen in der zweiten Klasse essen ... Aber ich habe eine bessere Idee. Meine Frau und ich verfügen über zwei zur Suite verbundene Kabinen, und da ließe sich problemlos ein Tisch für drei decken. Würden Sie uns die Ehre erweisen?«
    Max zauderte, noch immer überrascht.
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber ich weiß nicht, ob ich ...«
    »Keine Bange, ich regele das mit Ihrem Chef.« De Troeye trank den letzten Schluck und stellte das Glas mit Nachdruck auf den Tisch, als wollte er damit ihre Abmachung besiegeln. »Einverstanden?«
    Was Max noch von einer Zusage abhielt, war reine Vorsicht. Tatsächlich brachte all das sein bisheriges Konzept gänzlich durcheinander. Oder vielleicht auch nicht, überlegte er dann. Er brauchte etwas Zeit und mehr Informationen, um das Für und Wider abwägen zu können. Mit einemSchlag hatte sich Armando de Troeye als neues Element ins Spiel gebracht. Unberechenbar.
    »Und Ihre Frau ...?«, setzte er an.
    »Mecha wird sich sehr freuen«, sagte der andere in abschließendem Ton, während er

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