Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
Vom Netzwerk:
Lebenslauf ging, und zog sich mit sparsamen, vage gehaltenenKommentaren aus der Affäre. Und schließlich, bei Kaffee, Cognac und Zigaretten, sprach er auf Bitten des Komponisten wieder über Tango.
    »Die Weißen«, fuhr er fort, »schauten den Schwarzen anfangs nur zu und guckten sich ihre Tänze ab. Bewegungen, die sie nicht hinbekamen, verlangsamten sie und mischten sie mit Walzer, Habanera oder Mazurka. Der Tango, müssen Sie wissen, war damals weniger eine Musik, als eine Art zu tanzen. Und zu spielen.«
    Während er redete, die Handgelenke mit den silbernen Manschettenknöpfen auf die Tischkante gelegt, kreuzte sich sein Blick hin und wieder mit dem Mecha Inzunzas. Die Frau des Komponisten hatte fast die ganze Zeit geschwiegen und zugehört. Nur gelegentlich machte sie eine kurze Bemerkung oder stellte eine Zwischenfrage, deren Antwort sie mit höflicher Aufmerksamkeit abwartete.
    »Von Italienern und europäischen Einwanderern getanzt, war der Tango langsamer, nicht mehr so zerhackt. Allerdings übernahmen die compadritos aus der Vorstadt auch einige Ornamente von den Schwarzen ... Wenn man zum Beispiel en senda derecha tanzt, wie es dort heißt, also auf einer Linie geradeaus, stoppt der Mann plötzlich mitten in der Bewegung, um seine tänzerischen Fähigkeiten zur Schau zu stellen oder um eine quebrada auszuführen, so nennt man das Abknicken in der Taille.« Er sah die Frau an, die weiter aufmerksam zuhörte. »Das ist der berühmte corte , den Sie in der salonfähigen Version, die wir heute tanzen, so meisterhaft beherrschen.«
    Mecha Inzunza quittierte das mit einem Lächeln. Sie trug ein leichtes, champagnerfarbenes Kleid aus Charmeuse, und das Licht des Fensters legte einen hellen Rahmen um das im Nacken kurz geschnittene Haar und entlang der anmutigen Linie ihres Halses, die Max seit ihrem stumm und ohne Musik im Palmensaal getanzten Tango nicht mehr aus dem Sinnging. Als einzigen Schmuck außer ihrem Ehering hatte sie die Perlenkette doppelt umgeschlungen.
    »Was ist ein compadrito ?«, wollte sie wissen.
    »War, besser gesagt.«
    »Wieso war?«
    »In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich viel verändert ... In meiner Kindheit war ein compadrito ein Junge aus einfachen Verhältnissen, Sohn oder Enkel eines dieser Gauchos, die, wenn sie das Vieh eingetrieben hatten, die Vorstädte unsicher machten.«
    »Klingt ja gefährlich«, warf de Troeye ein.
    Max winkte ab. Besonders gefährlich seien die nicht gewesen, erklärte er. Im Gegensatz zu den compadres und compadrones : Das seien rauere Burschen, entweder echte Ganoven oder solche, die zumindest so taten. Sie seien bei Politikern als Leibwächter gefragt, für Wahlen und so weiter. Aber die ursprünglichen, die mit den spanischen Familiennamen, würden mittlerweile von Einwanderersöhnen verdrängt, die meinten ihnen nacheifern zu müssen: Verbrecher der übelsten Sorte, die zwar mit dem Messer ebenso schnell zur Hand seien wie die Alten, sich aber weder an deren Ehrenkodex hielten noch deren Mut besäßen.
    »Und der wahre Tango ist der Tanz der compadritos und compadres ?«, hakte Armando de Troeye nach.
    »Früher war er das. Diese ersten Tangos waren von schamloser Obszönität, die Paare tanzten Körper an Körper, schlangen die Beine umeinander und vollführten Hüftbewegungen, die, wie gesagt, von den Tänzen der Schwarzen herrührten ... Sie müssen bedenken, dass die ersten Tangotänzerinnen Kasernenflittchen und Bordellhuren waren.«
    Aus dem Augenwinkel sah Max Mecha Inzunzas Lächeln: herablassend und gespannt zugleich. Er hatte Frauen ihres Standes schon öfter so lächeln sehen, wenn die Rede von derartigen Dingen war.
    »Daher der schlechte Ruf«, sagte sie.
    »Natürlich.« Aus Taktgefühl wandte sich Max weiterhin an ihren Gatten. »Immerhin hieß einer der ersten Tangos Dame la lata ...«
    »Gib mir die Büchse?«
    Wieder ein rascher Seitenblick auf die Frau. Der Eintänzer stotterte ein wenig herum, bis er die rechten Worte gefunden hatte.
    »Die Blechmarke«, sagte er schließlich, »die eine Hure von der Bordellchefin für jeden bedienten Freier bekam und an ihren cafiolo weitergab, der sie gegen Bares einlöste.«
    » Cafiolo , wie exotisch das klingt«, bemerkte die Frau.
    »Er meint ihren maquereau «, stellte de Troeye klar. »Einen Zuhälter.«
    »Ich habe es schon verstanden, Liebling.«
    Selbst als der Tango populär geworden sei und man ihn schon auf Familienfeiern getanzt habe, fuhr Max fort, seien die cortes

Weitere Kostenlose Bücher