Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
und in abschließendem Ton. Danach lächelte er wieder, diesmal freundlich, und senkte die Nase in sein Glas, als fände er dort Zuflucht vor allen Widrigkeiten der Welt.
Max und Mecha Inzunza wechselten einen Blick. Sie hatten zusammen getanzt und einander fast nicht angesehen, als vermieden sie das absichtlich. Seit ihrem stummen Tango im Wintergarten war da etwas zwischen ihnen, das auch in ihrer Art zu tanzen spürbar wurde: eine heitere Komplizenschaft, die sich in spontanen Bewegungen und Figuren niederschlug – zu manchen cortes und Seitschritten setzten sie mit verschmitztem Lächeln in stillschweigendem Einvernehmen an. Aber auch in flüchtigen, kaum angedeuteten Blicken oder scheinbar unverfänglichen Situationen, wenn er ihr beispielsweise eine Abdul Pashá anbot und dann feierlich Feuer gab, oder sich zur Seite beugte, um mit ihrem Mann zu sprechen, als spräche er eigentlich mit ihr, oder reglos dastand, die Füße nebeneinander in militärisch anmutender Haltung, und wartete, bis Mecha Inzunza sich vom Stuhl erhob, ihm mit träger Geste die Hand reichte, die andere auf den schwarzen Satin seines Frackrevers legte, und sie begannen, sich zwischen den anderen, zumeist unbeholfenen und weniger attraktiven Paaren in harmonischer Geschmeidigkeit über das Parkett zu bewegen.
»Das wird lustig«, sagte Armando de Troeye und leerte sein Glas. Es klang nach dem Ergebnis reiflicher Überlegung.
»Ja«, stimmte sie zu.
Verwirrt fragte sich Max, was sie damit wohl meinten. Er war nicht einmal ganz sicher, dass sie beide dasselbe meinten.
Auf der Uhr im Rauchsalon des Hotels Palace in Buenos Aires war es Viertel nach vier, als er sie dann durch die Halle kommen sah. Armando de Troeye trug Kreissäge und Stock und seine Frau ein gediegenes Kleid aus Seidengeorgette mit einem Ledergürtel und einen breitkrempigen Strohhut. Max griff nach seinem eigenen Hut, einem weichen, sehr korrekten, wenn auch ziemlich abgenutzten Knapp-Felt, und ging ihnen entgegen. Der Komponist entschuldigte sich für die Verspätung – »Sie wissen ja, der Reitklub und diese übermäßige argentinische Gastfreundschaft, und alle reden über Tiefkühlfleisch und englische Pferde« –, und da der Eintänzer schon so lange warte und sich sicher ein wenig die Beine vertreten wolle, schlage er vor, einen kleinen Spaziergang zu machen und unterwegs irgendwo einen Kaffee zu trinken. Mecha Inzunza sagte, sie sei müde, man sehe sich beim Abendessen, und ging auf den Fahrstuhl zu, während sie die Handschuhe abstreifte. Max und Armando de Troeye verließen das Hotel und bummelten plaudernd durch den Arkadengang der Avenida Leandro Alem entlang der Hafenpromenade mit ihren alten Bäumen, die um diese Jahreszeit mit goldgelben Blüten übersät waren.
»Barracas, sagen Sie«, begann de Troeye, nachdem er Max lange aufmerksam zugehört hatte. »Ist das eine Straße oder ein Stadtteil?«
»Ein Stadtteil. Das richtige Viertel, denke ich. Eine andere Möglichkeit ist La Boca. Da könnten wir es auch versuchen.«
»Und wozu raten Sie?«
Barracas sei besser, meinte Max. In beiden Vierteln gebe es Cafés und Freudenhäuser, in La Boca jedoch seien sie zu nah am Hafen und überlaufen von Matrosen, Schauerleuten und Durchreisenden. Kaschemmen voller ausländischem Gesindel, um es irgendwie zu beschreiben. Dort würde ein französisierter Tango im Pariser Stil gespielt und getanzt,nicht schlecht, aber weniger rein. Barracas dagegen sei dank der italienischen, spanischen und polnischen Einwanderer urwüchsiger. Selbst die Musiker seien oder wirkten authentischer.
»Verstehe.« De Troeye grinste zufrieden. »Sie meinen, im Schnappmesser der Vorstadt steckt mehr Tango als in einem Matrosenmesser.«
Max lachte.
»So ungefähr. Aber täuschen Sie sich nicht. Die Klinge kann da so gefährlich werden wie dort ... Abgesehen davon, zieht man heutzutage fast überall die Pistole vor.«
In der Nähe der Handelskammer bogen sie nach links in die Avenida Corrientes ein und ließen die Arkaden hinter sich. Wegen des Baus der Untergrundbahn war der Straßenasphalt weiter oben bis zum alten Postgebäude teils aufgerissen.
»Um eines möchte ich Sie allerdings bitten«, fuhr Max fort. »Sie und Ihre Frau sollten sich diskret kleiden. Weder Schmuck noch aufwändige Garderobe. Und keine dicken Brieftaschen.«
»Keine Sorge. Wir werden nicht auffallen. Ich möchte Sie nicht in haarige Situationen bringen.«
Max blieb stehen, um ihm beim Umgehen einer Baugrube den
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