Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
selbst.«
Vollendete Schönheit aus Fleisch und Blut. Prachtvoll. In diesen Begriffen ließe sich möglicherweise der Körper der schlafenden Frau beschreiben, den Max im Halbdunkel des Schlafzimmers auf den zerwühlten Laken betrachtete. Kein Maler und kein Fotograf konnte diese großartigen, langgestreckten Linien wiedergeben, die auf ihrem nackten Rücken zu Formen von wundersamer Vollkommenheit geschwungen waren, den anmutigen Winkel der um das Kopfkissen geschlungenen Arme, die sanfte Kurve der Hüfte, verlängert durch die schlanken, leicht gespreizten Beine, zwischen denen der Schoß zu erahnen war. Oder das herrliche Zentrum, dem all die langen Linien und sanften Kurven zustrebten, diesen verletzlichen, bloßen Nacken unter den kurzen Haaren. Dort hatte der Eintänzer ihre Haut mit den Lippen gestreift, um sich zu vergewissern, dass sie fest schlief, ehe er aufstand.
Als er fertig angekleidet war, drückte er die Zigarette aus, die er dabei geraucht hatte, und ging ins Bad – Marmor und weiße Fliesen –, um sich vor dem großen Spiegel über dem Waschbecken die Krawatte zu binden. Zurück im Schlafzimmer knöpfte er die Weste zu und ging dann durch die riesige Suite im Hotel Palace, um in dem kleinen englischen Salon Jacke und Hut zu holen. Er hatte beides neben dem Mahagonisofa abgelegt, auf dem Armando de Troeye schlief, noch bekleidet, der Hemdkragen lose, in Strümpfen, verkrümmt wie ein Betrunkener auf einer Parkbank. Als Max sich näherte, schlug der Komponist beim Geräusch seiner Schritte die Augen auf und regte sich benommen auf den roten Samtpolstern.
»Was ist los ..., Max?«, stammelte er mit schwerer Zunge.
»Nichts. Petrossi hat noch Mechas Kette, und die gehe ich holen.«
»Guter Junge.«
De Troeye schloss die Augen wieder und drehte sich weg. Max stand noch einen Augenblick da und schaute ihn an. Seine Abneigung gegen diesen Mann wetteiferte mit der Verblüffung über die Ereignisse der letzten Stunden. Flüchtig empfand er das Bedürfnis, erbarmungslos, hemmungslos auf ihn einzuschlagen; doch er sah ein, dass das in der momentanen Lage nicht sehr hilfreich wäre. Es gab wichtigere Dinge, die seine ganze Aufmerksamkeit erforderten. Lange hatte er darüber nachgedacht, still neben der tief schlafenden Mecha liegend, während die Erinnerungen und Empfindungen der letzten Stunden in ihm durcheinanderwirbelten wie Kieselsteine in einem Sturzbach. Wie sie die Hotelhalle durchquert hatten, gemeinsam ihren Mann stützend, wie ihnen der Nachtportier den Schlüssel ausgehändigt hatte, der Aufzug, die Ankunft im Zimmer, Knurrlaute und ersticktes Gelächter. Und dann der glasige Blick, mit dem de Troeye ihnen zusah wie ein betäubtes Tier, während seine Frau und Max sich die Kleider vom Leib rissen, gierig und ohne jede Scham übereinander herfielen, ihre Münder und Körper sich aneinander festsaugten und sich gegenseitig auf das Schlafzimmer zu stießen und schoben, wo sie, ohne die Tür zuzumachen, die Tagesdecke vom Bett rissen, und er mit verzweifelter Brutalität in sie eindrang; eher ein Akt der Rache als ein Akt der Leidenschaft oder Liebe.
Behutsam schloss er die Tür hinter sich. Auf dem Flur dämpfte der Teppich seine Schritte, und er ging am Fahrstuhl vorbei, die breite Marmortreppe hinunter und dachte darüber nach, wie es jetzt weitergehen sollte. Er hatte gelogen, Mechas Kette war nicht in dem Pierce Arrow. Als er vor dem Hotel aus dem Wagen gestiegen war, hatte er den Chauffeur gebeten zu warten, um ihn später zur Pension Caboto zu bringen; und während dieses kurzen Gesprächs hatte er Petrossi die Pistole zurückgegeben, die Perlenkette in Empfang genommen und sie in die Tasche gesteckt, ohne dass Mecha oder ihr Mann etwas davon mitbekommen hatten. Dort war sie die ganze Zeit gewesen, und dort war sie noch immer, eine kleine Beule in der linken Jackentasche. Er schritt zwischen den Säulen durch die Hotelhalle, grüßte den Nachtportier mit einem leichten Anheben der Augenbrauen und trat auf die Straße, wo Petrossi unter einer Laterne parkte und ein Nickerchen hielt, die Mütze neben sich auf einer Ausgabe von La Nación , den Kopf auf der lederbezogenen Rückenlehne. Als Max an die Fensterscheibe pochte, schrak er auf.
»Bringen Sie mich bitte zur Avenida Almirante Brown«, sagte er. »Nein, nein, Sie brauchen die Mütze nicht aufzusetzen. Und hinterher können Sie schlafen gehen.«
Während der Fahrt sprachen sie kein Wort. Ab und zu leuchtete im Licht der
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