Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Scheinwerfer eine Fassade oder Mauer auf, und ein blassgrauer Schimmer kündigte den nahenden Morgen an. Max fühlte sich im Rückspiegel beobachtet, und gelegentlich begegnete sein Blick dem des Chauffeurs. Als der Pierce-Arrow vor der Pension hielt, stieg Petrossi aus, um seinem Fahrgast den Schlag aufzuhalten. Max stieg aus dem Wagen, den Hut in der Hand.
»Danke, Petrossi.«
Der Chauffeur sah ihn ausdruckslos an.
»Keine Ursache, Señor.«
Schon wollte Max auf die Tür zugehen, als er noch einmal innehielt und sich umdrehte.
»Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
In dem ungewissen Licht konnte er nicht ganz sicher sein, aber er hatte den Eindruck, dass Petrossi lächelte.
»Nein, Señor ... Das Vergnügen war fast ganz auf meiner Seite.«
Jetzt war es an Max zu lächeln.
»Diese Browning ist ein gutes Stück. Passen Sie darauf auf.«
»Ich freue mich, dass Sie Ihnen von Nutzen war.«
Plötzlich nahm sich der Salontänzer die Longines vom Handgelenk.
»Sie ist nichts Besonderes«, sagte er und gab sie dem sichtlich verwirrten Chauffeur. »Aber ich habe keinen Peso mehr in der Tasche.«
Petrossi wog die Uhr in den Händen.
»Das ist doch nicht nötig«, protestierte er.
»Ich weiß. Und eben darum ist es umso nötiger.«
Zwei Stunden später hatte Max Costa gepackt und ein Taxi von der Pension Caboto zur Anlegestelle des Raddampfers genommen, hatte rasch die Einreise- und Zollformalitäten hinter sich gebracht und ging nach der Überfahrt am anderen Ufer des Río de la Plata, in Montevideo, an Land. Die polizeilichen Ermittlungen, die nach einigen Tagen die Aktivitäten des Eintänzers in der uruguayischen Hauptstadt rekonstruierten, ergaben, dass er auf dem Schiff eine Frau kennengelernt hatte, mexikanische Staatsbürgerin und Sängerin von Beruf, die ein Engagement im Teatro Royal Pigalle hatte. Mit ihr quartierte sich Max in einem luxuriösen Zimmer des Hotels Plaza Victoria ein, von wo er am nächsten Morgen verschwand und sein Gepäck sowie eine beträchtliche offene Rechnung zurückließ – Übernachtung, diverse Extras, ein Abendessen mit Champagner und Kaviar –, wofür die wütende Mexikanerin zähneknirschend aufkommen musste, die obendrein am Morgen darauf geweckt wurde, weil ein Bote den Hermelinmantel brachte, den Max ihr im besten Pelzgeschäft der Stadt gekauft hatte; und da er gerade nicht genug Bargeld bei sich trug, hatte er verfügt, dass der Mantel am folgenden Tag, wenn die Banken wieder geöffnet hätten, ins Hotel geliefert werden sollte.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich Max bereits an Bord des italienischen Ozeandampfers Conte Verde, der nach einer Zwischenstation in Rio de Janeiro weiter nach Europa fuhr. Drei Tage später stieg er in der brasilianischen Stadt aus, und damit verlor sich seine Spur. Das Letzte, was man in Erfahrung bringen konnte, war, dass Max, ehe er Montevideo wieder verließ, Mecha Inzunzas Collier an einen rumänischen Juwelier verkauft hatte, der in der Calle Andes einen Antiquitätenladen betrieb und ein notorischer Hehler war. Der Rumäne, Troianescu mit Namen, gab auf Befragen der Polizei zu, für die Kette – zweihundert echte, makellose Perlen – dreitausend Pfund Sterling bezahlt zu haben, also etwas mehr als die Hälfte ihres tatsächlichen Wertes. Doch dem jungen Mann, der sie ihm, vermittelt durch den Freund eines Freundes, im Café Vaccaro anbot, war sehr daran gelegen, das Geschäft schnell abzuschließen. Ein netter Kerl übrigens. Gut gekleidet, beste Manieren. Sympathisches Lächeln. Wären da nicht die zweihundert Perlen und die Eile gewesen, hätte man ihn für einen vornehmen Herrn halten können.
6 DIE PROMENADE DES ANGLAIS
Nach dem Abendessen im Vittoria unternehmen sie einen Spaziergang, um die milde Luft zu genießen. Mecha hat Max den anderen vorgestellt – »Ein lieber Freund, den ich länger kenne, als ich mich erinnern kann« –, und er hat sich mühelos in die Gruppe eingefügt, mit seiner stets gewinnenden Souveränität und Natürlichkeit, den vollendeten Umgangsformen und der Schlagfertigkeit, die ihm zu anderen Zeiten, als jeder Tag eine Herausforderung und einen kleinen Überlebenskampf bedeutete, so viele Türen geöffnet haben.
»Sie leben also in Amalfi?«, erkundigt sich Jorge Keller.
Max ist vollkommen entspannt.
»Ja. Zeitweise.«
»Es ist schön dort. Ich beneide Sie ehrlich.«
Ein sympathischer Junge, denkt Max. In guter körperlicher Verfassung, wie diese amerikanischen Studenten, die in
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