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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Spiegel.
    »Sie haben doch nichts dagegen, eh?«, fragte Poirot, und seine Augen zwinkerten neckend.
    »Bewahre, Monsieur Poirot. Ich würde mich sogar freuen, wenn Sie Ihre englischen Kollegen an Findigkeit übertrumpften. Ich wünsche Ihnen jeden Erfolg.«
    »Madame, ich brauche mehr als Ihre Wünsche. Ich brauche Ihre Meinung.«
    »Meinung?«, sprach Jane, die zur Begutachtung des Mantelrückens den Kopf weit über die Schulter reckte, ihm zerstreut nach. »Worüber?«
    »Wen halten Sie für den mutmaßlichen Mörder Lord Edgwares?«
    »Keine Ahnung.«
    Jetzt nahm sie auch noch den Handspiegel zu Hilfe und bewegte probeweise die Schultern.
    »Madame!«, rief Poirot mit erhobener Stimme. »Wen halten Sie für den Mörder Ihres Gatten?«
    Seine laute Stimme ließ sie innehalten. »Wen? Geraldine.«
    »Wer ist Geraldine?«
    Aber die Aufmerksamkeit von Lord Edgwares Witwe hatte sich bereits wieder verflüchtigt.
    »Ellis, heb den Mantel an der rechten Schulter ein wenig. So. Wie, Monsieur Poirot? Geraldine ist seine Tochter… Nein, Ellis, die rechte Schulter. Ja, ja, so wird es besser. Oh, müssen Sie schon gehen, Monsieur Poirot? Ich bin Ihnen unendlich dankbar für alles – ich meine, für die Scheidung, selbst wenn sie sich nach den letzten Ereignissen erübrigt hat. Nie werde ich Ihre Hilfsbereitschaft vergessen.«
    Nur zweimal noch sah ich Jane Wilkinson wieder. Einmal auf der Bühne, und einmal, als ich ihr bei einer Einladung zum Lunch gegenübersaß. Aber wenn ich an sie denke, erscheint vor meinen Augen immer jene Frau aus dem Savoy, die – mit Herz und Seele bei den Kleidern, mit dem Verstand ungeschmälert bei ihrer eigenen Person – nachlässig Worte hinwarf, die Poirots weitere Handlungen bestimmten.
    »Epatant!«, sagte mein Freund mit staunendem Respekt, als wir aus dem Hotelportal traten.

12
     
    A ls wir unser Wohnzimmer betraten, leuchtete auf dem Tisch das weiße Viereck eines Briefes. Poirot nahm ihn, schlitzte ihn mit der ihm eigenen Sorgfalt auf und lachte.
    »Wenn man vom Teufel spricht… Sehen Sie, Hastings.«
    Der Brief war in einer überaus steilen, charaktervollen Handschrift geschrieben, die den Eindruck erweckte, als sei sie sehr leicht leserlich und sich merkwürdigerweise als ziemlich unleserlich erwies.
     
    Sehr geehrter Herr!
    Ich hörte, dass Sie heute Morgen mit dem Inspektor im Haus waren, und bedaure außerordentlich, Sie nicht gesprochen zu h a ben. Wenn Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch genommen ist, schenken Sie mir bitte heute Nachmittag ein paar Minuten.
     
    Ihre
    Geraldine Marsh
     
    »Sonderbar, dass sie eine Unterredung mit Ihnen wünscht!«
    »So? Sie finden das sonderbar? Nun, allzu höflich sind Sie gerade nicht, mon ami.«
    Hercule Poirot hat die aufreizende Angewohnheit, immer zur unrechten Stunde zu scherzen.
    »Wir werden uns sofort auf die Beine machen, Hastings«, befahl er und stülpte, nachdem er zärtlich ein eingebildetes Staubkörnchen von dem Filz entfernt hatte, seinen Hut auf den Kopf. Jane Wilkinsons leichtfertige Mutmaßung, dass Geraldine ihren Vater getötet haben könnte, dünkte mich ebenso abgeschmackt wie widersinnig. Lediglich ein vollkommen hirnloser Mensch vermochte sie zu äußern. Doch als ich meine Ansicht Poirot anvertraute, fertigte er mich unwirsch ab.
    »Hirn, Hirn. Was versteht man darunter wirklich? In Ihrer Sprache, mein guter Hastings, besagt es, dass Jane Wilkinson das Hirn eines Kaninchens hat. Das ist eine Formel der Herabsetzung, der Verachtung. Doch betrachten Sie sich einmal das Kaninchen. Es lebt und vermehrt sich, was in der Natur geistige Erlesenheit bedeutet. Die entzückende Lady Edgware weiß sicher weder in Geschichte noch in Geografie oder bei den Klassikern Bescheid. Hinter dem Namen Laotse würde sie ein preisgekröntes Pekinghündchen vermuten, hinter dem Namen Molière ein Pariser Modehaus. Aber wenn es sich darum handelt, geschmackvolle Kleider auszuwählen, reiche und vorteilhafte Heiraten zu machen und sich durchzusetzen – dann ist ihr Erfolg phänomenal. Die Ansicht eines Philosophen darüber, wer Lord Edgware ermordete, würde ich für wertlos erachten; doch Jane Wilkinsons unüberlegte Meinung könnte allenfalls nützlich sein, weil ihr Standpunkt materialistisch ist und auf einer Kenntnis der schlimmsten Seite der menschlichen Natur beruht.«
    »Vielleicht haben Sie Recht«, gestand ich zu.
    »Nous voici«, sagte Hercule Poirot. »Ich bin neugierig, warum die junge Dame mich so dringend zu sehen

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