Drimaxid 01 - Die Zelle
bildeten eine riesige Faust.
Adam meditierte nicht.
Er betete.
»Vater unser im Himmel«, betete er, denn ein anderes Gebet kannte er nicht. »Geheiligt werde dein Name.«
Adam hielt nicht viel von Religion, obwohl man als Soldat (gerade als Soldat des 1. Sturmtrupps der United Planets und vor allem wenn man in einem apokalyptischen Gefecht gegen die schwarzen Scherenschnittmänner gekämpft hatte) allen Grund dazu hat.
»Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden«, fuhr Adam mit leiser Stimme fort.
Er hielt inne. Seine Lippen erstarrten. Der monotone Singsang, das psychopatische Gebrabbel verstummte. Er konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern, wie der Vers weiterging.
In seiner Kindheit hätte ihm seine Mutter für einen solchen Frevel eine schallende Ohrfeige verpasst. Sein Vater hätte daneben gestanden, wie eine graue Steinstatue. Er hätte zugesehen, traurig dreingeschaut, und nichts getan. Normalerweise geriet sein Vater nie in Rage. Adam kannte seinen Vater als einen bärtigen Mann in unschätzbarem Alter, der in einem Zustand absoluter Gleichgültigkeit existierte. Traurig dreinblickend, aber nicht wegen seiner Umwelt oder der Lebensumstände, sondern weil es seine Natur war. Genauso wie die Gleichgültigkeit.
Psalm 23 , erinnerte sich Adam. Den kann ich noch auswendig.
»Der Herr ist mein Hirte«, murmelte er und senkte dabei demutsvoll sein Haupt.
Weiter kannte er den Text nicht. Nur bruchstückhaft und zu ungenau, was für seine Mutter derselbe Frevel gewesen wäre, wie wenn ihm die Worte vollständig entfallen wären.
»… und ob ich schon wanderte im finstren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.«
Adams Gedanken glitten ab.
Das schroffe Hochgebirge, die hüglige Graslandschaft und das finstre Tal. Das 3-Ebenen-Schema. Geistige, seelische und materielle Welt. Das finstre Tal steht für letzteres.
Stecken und Stab deutete seiner Meinung nach symbolisch auf eine spirituelle Lehre. Er musste an das Dreifachkreuz denken, den Aaron-Stab bei Moses, den Papststab, Merlins Zauberstab, ein Zepter.
»… und ob ich schon wanderte im finstren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich«, wiederholte er, weil sein Gedächtnis keine weiteren Worte ausspuckte.
Adam war durch dieses finstre Tal, von dem Psalm 23 erzählte, gegangen. Er hatte den grausamen Krieg miterlebt. Die blutige Schlacht auf dem schwarzen Felsplateau. Dem Todesplateau . Die sterbenden Menschen. Das abgehackte RATTATATATA der verchromten Maschinengewehre. Gellende Schreie. Explosionen. Noch mehr Schreie. RATTATATATA.
All das hatte er erlebt. Entgegen dem, was Psalm 23 behauptete, hatte er sich gefürchtet. Er hatte sich vor Angst fast in die Hose gemacht. Niemand war da gewesen, um ihn zu trösten. Kein Stecken. Kein Stab. Kein Hirte. Kein Herr. Kein Gott.
Nun saß er hier. In einem weiteren finstren Tal. In dieser Zelle. Dem Kubus des Schreckens . Und noch immer fehlte jede Spur von einem Stecken, der die Mauern aufbog. Von einem Stab, der eine Tür in diesen stählernen Würfel zauberte. Von einem Hirten, der ihm den Weg zeigte. Von einem Herrn, der ihn tröstete. Und auch von einem Gott war nichts zu sehen.
Es gibt keinen Herrn , beschloss Adam für sich.
»Scheiß auf den Herrn«, knurrte er und entfaltete seine Hände.
Er wandte sich von dem rettenden Licht seines Glaubens ab und marschierte in die endlose Dunkelheit der Ungläubigkeit hinaus. Als würde er in eine Oase spuken und in die trockene Wüste gehen.
Sein Körper forderte von ihm etwas Beachtung. Adam stand auf und ging in die Ecke hinüber. Er hob das orangefarbige Leibchen an und urinierte. Diesmal achtete er sorgsam darauf nicht die Wand zu treffen. Seine Beine waren von dem langen, beschwerlichen Sitzen wund gescheuert. Der Urin würde scheußlich brennen. Aber er bekam keinen Spritzer ab und betrachtete leise pfeifend den kräftigen Strahl.
Er war auffällig farblos, beinahe durchsichtig. Wie Wasser …
Eisen- oder Vitaminmangel. Biologie war niemals sein Spezialgebiet gewesen. Aber man musste kein Genie sein um darauf zu kommen. Seit er zum ersten Mal in der Zelle erwacht war, halte er noch keine Nahrung zu sich genommen. Sein Hals kratzte spürbar. Der Mundraum war völlig ausgetrocknet und seine Zunge klebte wie ein ausgewrungener Lappen am Gaumen fest.
Knurrend meldete sich sein Magen zu Wort. Adam hatte das Gefühl
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