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Drimaxid 01 - Die Zelle

Drimaxid 01 - Die Zelle

Titel: Drimaxid 01 - Die Zelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Bader
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, beschwor er einen Gegenzauber auf.
    » Ohmmm «, antworteten die Hände.
    Die Zelle wirkte kleiner denn je. Adam bekam wieder Platzangst. Erinnerungen an die Zeit im Schrank seines Vaters kamen hoch. Eine Stunde, 12 Minuten und 36 Sekunden. 4356 Sekunden der Dunkelheit. Das hatte er gerade zum ersten Mal berechnet.
    Adam hasste Enge. Er hasste Berührung. Er hasste Menschen. Er war unendlich viele Male in seinem Leben von Menschen enttäuscht und hintergangen worden. Immer und immer wieder hatte man ihm das Herz gebrochen und die mikroskopisch kleinen Splitter zu Staub zertrampelt, den er jedes Mal in schwerster Kleinstarbeit mit der peniblen Art eines Hobbybastlers wieder zusammengefügt hatte; ein kleines, reumütiges Kind, das die Lieblingsvase der Mutter zerbrochen hat und zur Strafe die Scherben mit Leim zusammen puzzelt.
    Die Hände fassten ihm in den Schritt. Zerquetschten seine Hoden.
    Ohnmächtige Schmerzen, wie Bewusstlosigkeit. Wie fallen und den Wind in den Haaren spüren. Ein Gefühl wie ein bodenloser Sturz, bei dem sich die Organe im Körper verschieben.
    Die Hände tasteten über sein Gesicht. Plumpe, blinde Kriechtiere. Sie suchten seine Augen, wollten ihm die Augäpfel aus den Höhlen reißen. Ihm das Augenlicht stehlen. Adam biss in einen Finger, der in seinem Mundwinkel steckte. Seine Zähne zermalmten den Knochen wie Mühlsteine. Er schmeckte kein Blut. Nur Staub. Zeitlosen, trockenen Staub.
    Konfrontiere dich mit deinen Ängsten , befahl er sich selbst. Da ist nichts. Das bildest du dir nur ein.
    » Ohmmm. « Die Stimmen wollten seine Gedanken übertönen.
    Hände zerrten an seiner Brust. Hände zwickten ihm in den Rücken. Hände glitten unter seine Arme und kniffen ihn in die Achseln. Ein Finger kroch in seine Nase. Hände klatschten gegen die Stirn. Finger bohrten sich in seine Ohren. Hände schlossen sich um seine Hände.
    Er verlor den Boden unter den Füßen. Die Hände hoben ihn hoch und er baumelte einen Meter über dem Zellengrund. Die Metapher mit der wehrlosen Fliege, die hilflos im Netz der hungrigen Spinne hängt, kam ihm in den Kopf.
    Er gebar sich, aber es gelang ihm nicht sich zu befreien.
    Er war gefangen.
    » Ohmmm «, verspotteten ihn die Hände.
    Das bildest du dir nur ein. Wie sollen sie den Laut ausstoßen? Es sind nur Hände. Sie haben keine Lippen und auch sonst keine Organe, die zur Artikulation von Geräuschen dienen mögen. Da ist nichts. Das bildest du dir ein.
    Adam verstand endlich.
    Da war wirklich nichts.
    In dem Moment, in dem er diesen Gedanken dachte (und auch wirklich fest daran glaubte), verschwanden die Hände und er stürzte zu Boden. Er landete so wuchtig auf den Füßen, dass ein scharfer Schmerz durch seine Gelenke fuhr. Adam kauerte sich erschöpft zusammen.
    Dann stellte er fest, dass er niemals gestürzt war. Er hatte kein Blut vor den Augen und auch keins auf dem Schädel. Es gab keine Hände, keine ausgerissenen Haarbüschel und keine Abdrücke auf seinem Knöchel.
    Er war gerade aus einem Tagtraum aufgeschreckt.
    Stinkender Schweiß tropfte unter seinen Achseln hervor. Adam atmete schwer, aber regelmäßig. Nicht wie jemand, der sich gerade verzweifelt gegen eine Armee aus körperlosen Gliedmaßen gewehrt hatte.
    Die Hände hatten niemals existiert. Sie waren bloß Halluzinationen, weiter nichts.
    Er spürte eine bleierne Müdigkeit in seinem Inneren. Die Halluzination hatte ihn erschöpft. Er überzeugte sich davon, dass sich die Größe des Raumes nicht verändert hatte. Die Zelle maß noch immer vier Mal vier Meter. Und es gab keine Hände.
    Adam atmete erleichtert aus.
    Er schloss die Augen und schlief ein.
     
    *
     
    Als Adam wieder zu sich kam, richtete er sich stocksteif auf, als hätte ihm jemand einen Besenstiel unter sein orangefarbiges Leibchen geschoben. Er schlug die Beine übereinander und hockte da, wie ein alter Indianerhäuptling, der die Friedenspfeife mit seinem roten Bruder raucht. Seine Lippen bewegten sich unentwegt, aber er flüsterte, sodass man seine Worte nur als zusammenhangloses Gebrabbel wahrnehmen konnte.
    Die Laute erinnerten entfernt an ein stimmloses »Ohmmm« , als würde er meditieren. Doch Adam meditierte nicht. Er hatte die Hände nicht auf seine Knie gelegt, Daumen und Zeigefinger formten kein »o« und auch die anderen sechs Finger waren nicht weggespreizt.
    Er hatte diesmal alle zehn Finger ausgestreckt, die flachen Handflächen aufeinander gelegt und die Finger ineinander gefaltet. Seine beiden Hände

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