Drimaxid 01 - Die Zelle
und seine Lippe platzte auf. Blut troff an seinem Kinn herab.
Dann kamen die Nachzuckungen. Als hätte er mit seinen Fingern ein offenes Kabel berührt, durch das Starkstrom floss. Er stöhnte und verkrampfte die Glieder. Noch mehr Speichel rann aus seinem tauben Mundwinkel. Unerträgliche Schmerzen rasten durch seinen Körper. Seine Arme. Seine Beine. Überall. Sein Leib wurde zu einem einzigen, zuckenden, gequälten Etwas.
Der Zorn Gottes , wisperte eine Stimme ehrfürchtig in seinem Kopf. Das ist der Zorn Gottes.
Adam griff nicht mehr nach der Kamera. Wie sollte er dies auch tun? Er lag zuckend am Boden und konnte nicht aufstehen, geschweige denn seine Hand ausstrecken. Trotzdem löste sich ein weiterer Funkenregen, wie ein gezackter Blitz, von der Kamera und fiel auf ihn herab. Adam tauchte in eine Dimension der Schmerzen ein.
Trotz der Schmerzen besaß er noch genug Beherrschung um seine Beobachtung von vorhin zu korrigieren. Es hatte sich bei dem sanften Flimmer um keinen Schutzschild gehandelt. Ein solcher hätte den einmaligen Versuch nach der Linse zu greifen mit einem Elektroschock geahndet und wäre danach wieder zusammengefallen. Das hier war etwas Anderes.
Die Funken quälten ihn. Immer und immer wieder, wie ein Elektroschocker in der Hand eines Sadisten, stoben die Blitze auf ihn herab. Adam war der Besinnungslosigkeit nahe. Nicht nur auf Grund der Schmerzen, sondern auch vor allem wegen dem blinden Unverständnis. Jemand quälte ihn und er hatte keine Ahnung, wer dieser jemand war und warum er dies tat.
Der Zorn Gottes , flüsterte die Stimme in seinem Kopf. Das ist der Zorn Gottes. Er bestraft dich dafür, dass du ihm entsagt hast. Dass du gepisst hast, statt zu beten.
Ein schöner Gott ist das , dachte Adam. Bei dem kleinsten Zweifel richtet er seinen bösen Blick auf dich und verschmort dich mit seinen feurigen Augen.
Der ekelhafte Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Adam fühlte sich an die Schlacht auf dem Todesplateau erinnert. Dort hatten ihre schattenhaften Gegner auf die tödlichen Laserschüsse mit einem gefährlichen Napalmangriff geantwortet. Ein vernichtender Regen aus flüssigem Feuer. Das Armageddon … Feuer und Tod …
Die Elektroschocks holten ihn zurück in die Wirklichkeit. Seine Schmerzensschreie wurden höher, lauter, schmerzlicher . Die Kamera verfolgte ihn surrend und fing jede seiner grotesken Zuckungen ein. Die matte Linse visierte unentwegt sein schmerzentstelltes Gesicht an.
Der Zorn Gottes , säuselte die Stimme in seinem Kopf. Das ist der Zorn Gottes. Brenn, Ungläubiger! Brenn! Du hast dem Herrn entsagt. Nun erschlägt dich der Hirte mit seinem Stecken und Stab.
Wie viele Stromstöße kann ein Mensch aushalten, ehe seine Innereien anfangen zu kochen? Ehe er zu einem stammelnden, sabbernden Vollidioten wird? Ehe er völlig die Kontrolle verliert?
Adam wusste es nicht.
Die Kamera feuerte pausenlos den glitzernden Funkenregen auf ihn herab. Irgendwann versank Adam in eine Art Schlaf-Wach-Zustand. Er schlüpfte aus seiner sterblichen Hülle heraus und betrachtete seinen zuckenden, kreischenden Körper aus einiger Distanz. Der Funkenregen hatte etwas Magisches. Adam beobachtete die Blitze wie ein staunendes Kind einen kunterbunten Regenbogen am Himmelszelt.
Wie viele Stromstöße kann ein Mensch aushalten, ehe seine Innereien anfangen zu kochen?
Adam wusste es nicht.
Aber er sollte noch viele Stromstöße spüren, ehe er endgültig in Ohnmacht fiel.
*
Als er wieder zu sich kam war die Kamera nicht mehr alleine. Was konkret bedeutete, dass er jetzt von vier Linsen und vier dämonisch glühenden Zyklopenaugen fixiert wurde. Er wartete darauf, dass der gleißende Funkenregen wieder auf ihn herabfallen würde. Diesmal aus vier Richtungen und vier Mal so schmerzhaft.
Nichts geschah.
Er wartete vier Minuten. Dann hatte er genug Mut (oder Wahnsinn) gesammelt um sich aufzurappeln. Er verharrte weitere vier Minuten. Nichts geschah.
Die Kameras umkreisten ihn wie ein Rudel hungriger Wölfe. Er tastete seine Arme ab. Die Linsen folgten surrend seinen Bewegungen und Adam hielt inne. Der Schutzschild, der die Kameras umgab, war so gut wie unsichtbar. Selbst jetzt, wo er genau wusste, dass er da war (dieses sanfte Flimmern …) konnte er ihn nicht mit den Augen ausmachen.
Die Blitze hatten seine Haut entstellt. Sein ganzer Arm war voller Wunden, die seltsamerweise nicht wie Brandverletzungen aussahen, sondern eher wie Biss- oder Kratzspuren.
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