Dringernder Verdacht
Schon in Ordnung.
Versperre ich Ihnen die Einfahrt?«
»Kein Problem. Ist ja Platz genug. Was
ist es denn? Die Batterie? Soll ich es mir mal ansehen?«
Was sollte das? Der Motor lief. Ich
brauchte keine Hilfe. »Danke, aber ich habe schon alles im Griff«, sagte ich.
Um meine Worte zu unterstreichen, gab ich Gas. Ich schaltete in den Leerlauf,
ratlos, was ich tun sollte. Ich konnte nicht vorwärts ausparken wegen des
Wagens vor mir. Rückwärts setzen konnte ich auch nicht, weil mir sein Wagen den
Weg versperrte.
Er stellte seinen Motor ab und stieg
aus. Ich ließ meinen weitertuckern und überlegte, ob mir wohl noch Zeit blieb,
mein Fenster hochzukurbeln, ohne allzu unfreundlich zu erscheinen. Er wirkte
allerdings eher harmlos, obgleich mir sein Gesicht irgendwie bekannt vorkam.
Ein nett aussehender Mann, Ende vierzig, mit hellbraunem, welligem Haar, an den
Schläfen schon leicht ergraut. Gerade Nase, energisches Kinn. Kurzärmliges
T-Shirt, legere Hose, die Füße barfuß in Segeltuchschuhen.
»Wohnen Sie hier in der Gegend?«,
fragte er höflich.
Ich kannte diesen Mann. Ich spürte, wie
mein Lächeln erschlaffte. Ich sagte: »Sie sind David Barney.«
Er legte den Arm auf mein Wagendach und
beugte sich an mein Fenster. Ich spürte, wie dieser Mann auf subtile Weise in
mein Terrain eindrang, obgleich er sich nach wie vor freundlich verhielt.
»Hören Sie, ich weiß, das gehört sich nicht. Mir ist klar, dass ich mich
danebenbenehme, aber wenn Sie mir nur fünf Minuten zugestehen, werde ich Sie
nie wieder belästigen.«
Ich musterte ihn kurz, während ich auf
mein inneres Alarmsystem lauschte. Kein Klingeln, kein Heulen, kein
Warnzeichen. Am Telefon war mir dieser Kerl gegen den Strich gegangen, aber
jetzt, leibhaftig und von Nahem besehen, schien er ein ganz normaler Mensch zu
sein. Es war helllichter Tag in einem anständigen, bürgerlichen Wohnviertel. Er
schien nicht bewaffnet. Was sollte er schon wollen? Mich auf offener Straße
niederschießen, einen Monat vor seinem Prozess? Im Moment hatte ich keine
Ahnung, wie meine Ermittlungen weiterlaufen sollten. Vielleicht würde er mir ja
irgendeine Inspiration liefern. Ich überdachte kurz die professionelle Seite.
Nach dem anwaltlichen Standesrecht ist es einem Anwalt untersagt, direkt mit
dem »Mandanten der Gegenseite« zu kommunizieren. Privatdetektive unterliegen
diesen strengen Bestimmungen jedoch nicht.
»Fünf Minuten«, sagte ich. »Dann muss
ich zu einem Termin.« Ich erzählte ihm nicht, dass es sich um ein Treffen mit
seiner Ex-Frau handelte. Ich stellte den Motor ab und blieb bei halb
heruntergekurbeltem Fenster in meinem Wagen sitzen.
Er schloss die Augen und stieß einen
tiefen Seufzer aus. »Danke«, sagte er. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass
Sie das tun würden. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, erklärte er.
»Zuerst muss ich Ihnen etwas gestehen. Ich habe Ihre Verteilerkappen abgezogen.
Das war eine List, und ich entschuldige mich vielmals. Aber ich dachte, anders
würde ich Sie nie dazu kriegen, mit mir zu reden.«
»Da lagen Sie richtig«, sagte ich.
Er sah die Straße hinunter und
schüttelte den Kopf. »Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie Ihre
Glaubwürdigkeit verloren haben? Das ist ein verblüffendes Phänomen. Da sind Sie
ihr Leben lang ein unbescholtener Bürger gewesen, der brav seine Steuern und
Rechnungen bezahlt, und auf einmal zählt das nichts mehr, und alles, was Sie
sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Das ist verrückt...«
Ich driftete kurz ab, weil ich daran
denken musste, wie vor gar nicht langer Zeit meine eigene Glaubwürdigkeit
plötzlich dahin gewesen war und ich von derselben Firma, die mir sechs Jahre
lang in allem vertraut hatte, der Annahme von Bestechungsgeldern verdächtigt
worden war.
»...habe ich wirklich geglaubt, es sei
vorbei. Ich dachte, ich hätte das Schlimmste hinter mir, als ich in dem
Strafprozess freigesprochen worden bin. Ich habe kaum mein Leben wieder, und
jetzt soll mir alles entzogen werden, was ich besitze. Ich lebe wie ein
Aussätziger. Ich bin geächtet...« Er richtete sich auf. »Ach, verdammt, lassen
wir das«, sagte er. »Ich will kein Mitleid.«
»Was wollen Sie dann?«
»An Ihren Gerechtigkeitssinn
appellieren. Dieser McIntyre, Ihr Informant...«
»Woher wissen Sie den Namen?«
»Mein Anwalt hat seine Aussage
vorliegen. Ich war völlig am Boden, als ich hörte, was dieser Mensch da
erzählt.«
»Es ist mir nicht möglich, mit Ihnen
darüber zu
Weitere Kostenlose Bücher