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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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ich schon noch gemerkt, und mir gedacht: Herrschaft, komisch – das war doch früher nicht so weit von Frankfurt nach München. Irgendwann dann the Voice of Germany from the Cockpit: »Wir sollten uns eigentlich schon länger mal bei Ihnen melden, aber wir haben hier vorne einiges zu tun. Wir erklären Ihnen das jetzt mal.« In Amerika hatten wir schon in der Zeitung gelesen, dass zwei, drei Tage vorher eine Boeing vom gleichen Typ in Warschau über die Landebahn rausgeschossen war, große Katastrophe, achtzehn Tote, weil sich die Landeklappen beim Bremsen nicht ausfahren ließen. Das Problem war: Wir saßen im glei chen Typ von Maschine. Und bei uns spielten die Landeklap pen auch verrückt.
    Der Pilot erklärte uns, dass er jetzt noch ein Stündchen fliegt, um die Tanks möglichst leer zu kriegen, weil er die Maschine in München über die Reifen abbremsen müsse. Aber er hätte das tausendmal im Simulator geübt, alles kein Problem, machen Sie sich überhaupt keine Sorgen, bleiben Sie völlig entspannt. Und die Landebahn in München ist außerdem länger als die in Warschau …
    Na super! Erst Berti und dann auch noch ein Flugzeugabsturz. Eine Katastrophe kommt selten allein. Olli neben mir war nicht völlig entspannt, im Gegenteil. Der Jungtitan war plötzlich hellwach, sah sich dem Tod nahe und meinte zu mir: »Wenigstens einmal hätte ich gerne für Bayern gespielt …« Zwanzig Minuten später hast du nichts mehr gehört außer dem Schnarchen von Sepp Maier. Alle waren still. Dann wieder unser allerbester Freund, der Kapitän: »Wir wären jetzt langsam so weit, wir setzen zur Landung an. Bitte geraten Sie nicht in Panik, wenn Sie an der Rollbahn Feuerwehr und Rettungswagen sehen, das sind reine Vorsichtsmaßnahmen.« Vielen Dank auch …
    Und außerdem, wie gesagt: Alles tausendmal im Simulator geübt. Und die mutmaßlich längste Landebahn westlich von Warschau. Das schafft Vertrauen! Als der Seuchenvogel zur Landung ansetzte, sahen wir unten nur noch Blaulichter wie im Horrorfilm, die hatten unendliche Angst, dass es die Reifen beim Landen wegen der Überhitzung zerreißt. Einen Meter über dem bayerischen Heimatboden hielt ich die Luft an, Kahn ganz offensichtlich auch, kurze Gedanken an die, die mir lieb sind – und wir setzten auf. Und landeten und blieben irgendwann stehen. Wieder atmen. Alles gut gegangen. Amen.
    Sepp schnarchte immer noch. Oliver Kahn durfte doch noch Titan werden. Im Flughafengebäude sagte Fritz Scherer zu mir: »Eigentlich müssten wir uns jetzt jedes Jahr an diesem Tag treffen und unseren Geburtstag feiern.« Darauf der Sepp neben uns: »Warum? Was habt’s denn? War was?« Alko hol kann ein wunderbarer Freund sein.
    Am nächsten Tag lernte der Sepp den Kater von Anzing kennen. Ich hab dann gleich den viel zu früh verstorbenen Kollegen Hans Lehrberger von der Abendzeitung angerufen: »Hansi, pass auf, ich habe eine Geschichte für dich: Wie Olli Kahn fast mit dem Flugzeug abgestürzt wäre.«
    Angemessener Abschluss einer Dienstreise.
    Das war das Ende von 1994 . Eigentlich doch eine schöne WM . Bis auf den Fußball, wie gesagt. Der hat ein bisserl gestört.
    Es gab allerdings auch eine, eine einzige erfolgreiche Dienstreise mit Bundestrainer Berti Vogts – zur Europameisterschaft 1996 in Good Old England. Dort mutierte ich zum Schlossherrn, zum Lord von Mottram Hall. Über dieses altehrwürdige Gemäuer steht im Internet zu lesen: »Mottram Hall ist eine Ikone des 18 . Jahrhunderts, ein prachtvolles georgianisches Landhaus und Hotel in einer 270 Hektar großen Parklandschaft in der unvergleichlichen Grafschaft Cheshire, mit einem luxuriösen Spa und Golfplatz.« So kann man das sehen. Man kann es aber auch so sehen: Mottram Hall ist tatsächlich unvergleichlich – in seiner Einsamkeit, Langeweile und in seiner Lage am hintersten Ende der Welt.
    Das ZDF ging damals mit seinem EM -Studio an die Themse. Poschmann stand auf der üblichen ZDF -Terrasse, im Hintergrund die Tower Bridge. Das sah fantastisch aus, vor allem die Tower Bridge. Das war eine tolle Location, da hat jeder beim Zuschauen gewusst, du bist mitten in London. Im Zentrum des Geschehens, mittendrin statt nur dabei.
    Wir vom Ersten waren auch dabei – aber nicht ganz so mittendrin. Denn die Kollegen vom federführenden NDR hat ten sich etwas Phänomenales ausgedacht: Wir sind viel schlauer als das ZDF , wir gehen ganz nah ran an die Mannschaft. Wir bauen unser Studio direkt beim Mannschaftshotel auf! Es gab nur

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