Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
die Couch in die Kabine geschafft.
Kurz darauf federte Ali, ganz ohne Kreuzweh, in die Kabine, verlor aber kein Wort zu seiner tollen neuen Couch. Ich stand mit dem Fotoapparat bereit und erkundigte mich ganz devot: »Champ, is it possible to take some photos of you in the cabin?«
It was possible. »Do it!«, befahl der Champ.
Ich durfte alles fotografieren, ich habe ihn sogar nackt unter der Dusche gesehen. Und ich kann sagen: Er war nicht nur im Boxring der Größte. Ich bekam also sensationelle Bilder von einem strahlend schönen Champ auf einer ebenso strahlend schönen Couch des Friedberger Möbelhauses Segmüller. Die Fotos gingen direkt per Kurier zum Segmüller. Waldi war der Größte und im Himmel.
Falsch. Waldi war in der Hölle.
Ich konnte vielleicht so einiges, aber fotografieren konnte ich nicht. Wir befanden uns ja im Jahr 1976 , im prädigitalen Zeitalter – und als die Bilder aus dem Labor kamen, ließ sich ein ganz entscheidendes Problem nicht verheimlichen: Sie waren zu dunkel. Die Bilder waren nicht unterbelichtet, sie waren genau genommen überhaupt nicht belichtet.
Bei dem Menschen auf der Couch konnte es sich um jeden farbigen Menschen der Welt handeln, von Ali war nichts zu erkennen. Das Bild war die Mutter der Finsternis. Kein Geld vom Möbelhaus Segmüller. Sehr schlecht. Aber es war trotzdem eine sehr schöne Couch. Und der Größte konnte garantiert ohne Schmerzen im Kreuz boxen. Immerhin.
Für uns war dieser Reinfall Motivation genug, einen letzten großen Deal auszuhecken. Einer ging noch. Oder auch zwei.
Ich war damals noch an einem Jeansladen in Augsburg beteiligt, dem Jeans-Center am Moritzplatz. Also mussten Fotos her: der Champ mit meinen Jeans in der Hand im Ring. Ali posierte wieder bereitwillig (»Do it, man!«), T-Shirts damit bedruckt und ins Schaufenster gehängt. Werbebotschaft: Mu hammad Ali kauft seine Jeans im Jeans-Center am Moritzplatz. Alles klappte prächtig, und weil ich die Fotos nicht selbst gemacht hatte, waren sie sogar richtig belichtet.
Zum krönenden Abschluss hatte ich vor, Ali zum Besuch meiner damaligen Augsburger Hausbrauerei Riegele zu bewegen.
Große Herausforderung! Vor allem, weil Ali Moslem ist. Wie kriege ich einen gläubigen Moslem in eine Brauerei? Oder auch: Wie kriege ich einen Bischof in eine Tabledance-Bar?
Aber: Ein Showtraining fand in Augsburg statt, das war die Gelegenheit! Ich, auf dem Höhenflug und beschwingt von den ganzen Erfolgen, die wir hatten, meinte zu den Riegele-Leuten: »Kein Problem, ich krieg das irgendwie hin.«
Also fragte ich Angelo Dundee: »Würdet ihr mir in Augsburg für eine Viertelstunde einen Gefallen tun? Der Champ soll nur sein Buch signieren.«
Ali hatte gerade seine Memoiren auf Deutsch auf den Markt gebracht. Reklame konnte auch hier nicht schaden, also gut, kein Problem. Ali würde vor dem Training zum Signieren kommen, eine Viertelstunde lang. »You did everything for us, we’ll do that for you«, meinte Dundee generös. Dass die Signierstunde auf dem Hof der Brauerei Riegele stattfand, ließ ich vorsichtshalber unerwähnt.
Ich also zu den Riegeles: »Geht klar, ich hab die im Griff.«
Riegele baute also im Brauereihof einen kleinen Jahrmarkt auf, mit Welcome-Champ-Plakaten, mit Ständen. Die Massen strömten ein in Erwartung der Erscheinung des großen Meisters. Der Hof war schwarz von Menschen, die auf den Größten aller Zeiten warteten. Sogar ein Thron war aufgebaut, auf dem Ali sitzen und signieren sollte. Eine Augsburger Buchhandlung lieferte die Bücher in rauen Mengen. Bratwurststände waren da, Kirmes, alles perfekt, alles kein Problem.
Doch ein Problem.
Der Ali-Clan hatte mit seiner Wagenkolonne Verspätung auf dem Weg von Augsburg nach München, sie waren in ihren vier dicken schwarzen Autos zu spät losgefahren. Ganz Augsburg hatte sich versammelt, alle waren da – bis auf den einen Menschen, auf den es ankam. Und dann erhielten wir per Autotelefon auch noch die Info: »Sorry, wir können nicht kommen, die Zeit reicht nicht, wir fahren direkt zum Training.« Panik. Augsburg, we have a problem! Und was für eines. Was tun? Ich also runter zum Vater meines Jeansladen-Kompagnons, der zufällig Polizeieinsatzleiter der Aktion »Ali in Augsburg« war: »Hören Sie, der Ali will nicht mehr herfahren. Der ist zu spät dran.«
Der Mann von der Polizei zu mir: »Dann haben wir aber ein Problem.«
Ich zum Mann von der Polizei: »Sogar ein sehr großes Problem.«
Die Leute würden uns
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