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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eine große Dose Mammutoliven mitzunehmen, weil sie so unbändige Lust darauf hatten, oder um in der Kneipe, bei Richard oder sonstwem mit ein paar Leuten zu quatschen.
    Dann aber – die beiden Biere im Bauch verschafften ihm ein wohliges Gefühl, und ein leichter Wind vom Fluß fuhr ihm durchs Haar, während er einen Fuß vor den anderen setzte und die ersten Baracken der Ortschaft, die dringend einen Anstrich benötigten, ihn wie alte Freunde und fröhliche Saufkumpane begrüßten – kam ihm ein Gedanke, in dem ein schicker 1965er Fließheck-Mustang eine Rolle spielte, dessen Abstellort er zufällig kannte. Es war ein krimineller Gedanke, andererseits verdiente eine kriminelle Handlung ja wohl eine ebensolche Antwort, oder?

17
    Für Pamela war die Gemischtwarenhandlung das vollkommene Beispiel für Ordnung im Chaos. Sie hielt viel von jener Art Rechtschaffenheit, die sich aus Entbehrungen und asketischem Lebensstil speist, und hatte auch ihre Wohnung in Anchorage von kitschigem Gerümpel freigehalten, wie es einem bei vielen Freunden gleich ins Auge sprang – Schnitzarbeiten aus Speckstein oder Walroßhauern, polierte Karibugeweihe, ausgestopfte Tiere oder Indianerszenen in Rahmen aus Birkenrinde, ganz zu schweigen von Stereoanlagen, Tontöpfen und Schränken voller Schuhe, Handtaschen, gestrickten Pullis und Seehundlederstiefeln mit Perlenbesatz. Krimskrams belastete sie, und sie hatte nicht den Ehrgeiz, immer das Neuste und Modernste zu besitzen und zu den unermeßlichen Schrottbergen des braven und anständigen Amerikaners beizutragen. Was sie achtete, das war die Genügsamkeit der ersten Goldgräber, die nichts dabei fanden, für einen ganzen Monat nicht mehr mitzunehmen als ein Gewehr, etwas Angelschnur, einen Sack Reis, ein Pfund Salz und ein bißchen Tee in der Dose. Man sollte abspecken bis aufs Notwendigste. Und von dem leben, was einem die Natur bot.
    Dennoch mußte sie bewundern, was Wetzel Setzler mit den beiden geschwärzten Räumen des etwas abgesackten großen Holzgebäudes angestellt hatte, das Boyntons Hauptstraße – nun ja, Boyntons einzige Straße – beherrschte. Sess hatte ihr erzählt, der Laden sei ein Überbleibsel aus der Zeit um die letzte Jahrhundertwende, als Boynton immerhin mit 1200 Einwohnern, einem Opernhaus und achtundzwanzig Saloons aufwarten konnte und als es in den Goldpfannen der Alaskafahrer entlang des Kandik und Charley River noch glitzerte – einer Zeit, in der die Northern Navigation Company zweiunddreißig Schaufelraddampfer den Fluß rauf und runter betrieb, um den Fracht- und Personenverkehr zu bewältigen, und da fragte sich Pamela, was diese Menschenhorden sich eigentlich gedacht hatten, wie die Heuschrecken in ein Gebiet einzufallen, von dem sie nicht die geringste Ahnung hatten. Doch sie kannte die Antwort: zum Ausbeuten und Plündern waren sie gekommen, daran dachten sie, an sonst nichts. Gold wollten sie davonschleppen, Fleisch und Felle, dann wurden die Zelte wieder abgebaut, und man verdrückte sich nach Cleveland oder Sacramento, nach Montpelier oder Miami Beach.
    Wetzel Setzler mußte gut dreitausend Artikel auf Lager haben, von Zündkerzen, Schrotpatronen, Angelködern, Biberfallen und Rohrlegerzangen über Maraschinokirschen, Thermosocken, Overalls, Wachsbohnen in Dosen und Alkoholika aller Art bis zu sechzehn verschiedenen Sorten Süßwaren und Kaugummi, und alles lag in seiner eigenen Schachtel, präzise ausgepreist in handgeschriebenen Zahlen, die so einheitlich aussahen, als wären sie vom Hersteller aufgestempelt. In der Mitte des Verkaufsraums gab es einen Ofen mit ein paar Stühlen ringsherum, alle möglichen Sachen baumelten von Haken in den Deckenbalken herab, und daneben stand ein Kühlschrank mit Glasfront voller Limo und Cola, Dosenbier und sogar Milch, Butter und Schlagsahne, die einmal pro Woche aus einem Supermarkt in Fairbanks geliefert und hier zum dreifachen Preis verkauft wurden. Ohne den Kühlschrank hätte der Laden aus einem Band mit historischen Fotos, vielleicht sogar Daguerreotypien stammen können, die Sorte Bücher, die bei ihrer Mutter auf dem Beistelltischchen lagen, damit Gäste darin blättern konnten: Wie unsere Vorväter lebten oder Ländliche Läden im Alten Westen.
    Als Pamela zur Tür hereinkam, war niemand zu sehen, obwohl es zehn Uhr war und die Leute auf den Straßen auf und ab gingen wie Blutgerinnsel, die sich langsam den Weg durch die Adern des Ortes bahnten. Eine Glocke über der Tür kündigte ihr Kommen an,

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