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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und Ronnie mußte immer an diese Dokumentarfilme aus dem Zweiten Weltkrieg denken, auf die sein Vater so stand, die Schlacht um England, der Kessel von Stalingrad, eine Mauer weggeschossen, und schon war ein gemütliches Wohnzimmer mit Teetischchen freigelegt. Und dann machte es rumms, rumms , die nächsten Bomben fielen, und es stieg immer noch mehr Staub auf.
    »Was glaubst du, wo Norm übernachten will?« fragte Star durch das Wummern von Canned Heat – o Wunder, ein kleiner Collegesender in der Nähe von Portland, und Pan hatte ihn mit seinen geschickten Fingern gefunden. »Ich meine, falls er überhaupt anhält, bei ihm weiß man ja nie so recht, was?«
    »Stimmt«, sagte Marco. »Aber je weiter wir kommen, desto besser.«
    »Ja, theoretisch«, sagte Ronnie, der vor dem Aufbruch der Karawane aus Drop City losgezogen war und rund hundert garantiert apothekenreine Dexedrintabletten von einem Freak aufgetrieben hatte, den er in der River Run Bar in Guerneville kannte, und die hatte er dann – zum Selbstkostenpreis – wie Süßigkeiten an jeden ausgeteilt, der auch nur daran dachte, sich irgendwann ans Lenkrad zu setzen.
    Stars Beine waren nackt, und ihre Füße – hochgelegt auf dem Armaturenbrett wie zwei flatternde weiße Vögel – waren ebenfalls nackt. Sie trug eine nabelfreie weiße Bluse, abgeschnittene Jeans und vermutlich sonst nichts weiter, obwohl sie sich gelegentlich ein wenig Vanilleextrakt hinter die Ohren und in die Höhlung zwischen den Brüsten tupfte. Ronnie lehnte sich zu ihr hinüber und schnupperte. Sie roch nach Schweiß, nach natürlichen Ölen und künstlichen Pflegemitteln, die sie für ihre Haare verwendete, und da war es – ein zarter Hauch von Vanille, wie die Neige im Becher, nachdem man den Milchshake ausgetrunken hat. Sie hatte im Bus mitfahren wollen. Aber was hatte er getan? Er hatte gebeten und gebettelt und ihr jede Menge Schuldgefühle auf tausenderlei Art und Weise eingeflößt – wo sie doch den weiten Weg durchs ganze Land in diesem Wagen gekommen waren, mit diesem Radio, und sie hatte die Füße auf dieses Armaturenbrett hochgelegt, und ob all das denn gar nichts zählte? Na schön, hatte sie schließlich gesagt, na schön, okay, ja, natürlich. Logo fahre ich bei dir mit. Aber nur, wenn Marco auch mitkommt.
    Jetzt bemerkte sie: »So macht es irgendwie viel weniger Spaß. Ich will doch die Gegend sehen – vor allem wenn wir dann in Kanada sind. Ich will sie zwischen den Zehen fühlen und mich wenigstens mal für zehn Minuten in die Sonne legen, wißt ihr, und ist das etwa zuviel verlangt?«
    Niemand sagte etwas. Die Landschaft zog verschwommen in Grau, Grün und Braun vorüber.
    »Und die vielen Bäche und Flüsse, das ist ja, als gäbe es die gar nicht, als würde ich sie mir nur vorstellen – so wie der da drüben, seht ihr den? –, aber ich will aussteigen und darin schwimmen, bis nach Alaska rauf, wie Burt Lancaster in diesem Film, wo er sich von einem Swimmingpool zum nächsten fortbewegt. Wollt ihr das nicht? Wollt ihr denn nicht mal raus und schwimmen gehen? Oder einfach nur ein bißchen herumplanschen?«
    »Burt Lancaster?« fragte Ronnie. »Von welchem Planeten kommst du denn?«
    Marco legte den Arm um sie und drückte sie, ein kleiner Akt der Vertraulichkeit, bei der Pan nicht einmal mit der Wimper zuckte. »Okay, aber willst du denn nicht auch endlich ankommen ? Willst du sie dir nicht anschauen, all die Millionen Hektar, die wir nur in Besitz zu nehmen brauchen, die Seen und die Flüsse dort oben? Das Blockhaus besichtigen? Das Grundstück abschreiten und überlegen, wo wir was bauen werden? Und außerdem« – jetzt grinste er – »könnte ich wetten, daß das Wasser ein klein wenig saukalt ist, meinst du nicht?«
    Lydias Stimme erklang aus der Tiefe des Rücksitzes. »Ich hab Hunger. Und ich muß mal.«
    Ronnie sah über die Schulter nach hinten, wo Lydia unter ihren Brüsten begraben lag, dann wechselte er einen Blick mit Star. »Irgendwie liegt Lydia richtig«, sagte er.
    Vom Rücksitz kam die Frage: »Womit denn? Daß ich pinkeln muß?«
    Lydia hatte sich jetzt aufgesetzt, und er betrachtete sie einen Moment lang im Rückspiegel, ehe er antwortete. Sie sah gut aus – wenn das Licht sie richtig erwischte, konnte sie richtig gut aussehen, wie eine dieser breitschultrigen Frauen mit Schmollmund in den italienischen Filmen, das schwarze Haar vom Wind zerzaust, das Make-up verschmiert und dieser scharfe Blick, der einem sagte: Lecken wir zusammen die

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