Drop City
Nagetiere abzuhalten, die sich liebend gern dort hinaufgemogelt und zarte, gefrorene Stücke Elch, Ente oder Fisch abgeschleppt hätten, und da an der Seite lehnte eine primitive Leiter für Menschen. Dann waren da noch die Trockenraufen. Eine ganze Reihe davon stand am Flußufer mitten in der Sonne, und sie waren voll beladen mit aufgeschnittenen Lachsen, daß es aussah wie eine Mauer aus Fleisch – es war ja auch eine Mauer aus Fischfleisch –, und all das umsonst aus dem Fluß. Denn was fing man mit dem Sommer an? Man sammelte Proviant für den Winter. Man jagte, pflanzte, angelte und blieb nächtelang wach, wobei die Sonne nie unterging, mit einem Bier in der einen und einem Joint in der anderen Hand. Und das nannten sie hierzulande Arbeit.
Ronnie stapfte durch das Gras und die rankenden Blumen, er grinste vor sich hin – Sess Harder war doch wirklich der Übertyp, der steckte alle in die Tasche. »Sess«, sagte er, »was tut sich so, Mann? Und Pamela? Hallo, wie geht’s dir?«
»Nicht allzuviel«, mehr brachte Sess nicht zustande. Er arbeitete ohne Pause weiter, glättete den Stamm, blies die Späne weg, legte sogar den Kopf dicht an die gehobelte Fläche, um sie der Länge nach zu begutachten. Die Hunde drehten noch ein wenig auf, als Verbie mit triefnassen Schuhen die Böschung hinaufstapfte, und Pamela, die ihr Ende des Baumstamms brav festhielt, warf ihr ein Lächeln voll ungetrübter Gastfreundschaft zu. »Wollt ihr zwei eine Tasse Tee?« rief sie. »Ich könnte uns einen Kessel heiß machen?«
»Och, mach dir unsretwegen keine Mühe«, sagte Verbie und klopfte die Fersen ihrer Wanderstiefel gegeneinander, als könnten sie davon wieder trockener werden. »Wir wollten nur ...«
»Klar doch«, sagte Ronnie. »Das fände ich super. Brauchst du Hilfe, Sess? Und übrigens, wir kommen eigentlich nur vorbei, um zu fragen, ob ihr vielleicht was aus der Stadt braucht, weil wir nämlich einen Haufen Sachen kaufen müssen, und da haben wir uns gefragt – ich meine, es wär kein Problem, überhaupt kein Problem ...«
Sie tranken den Tee aus glänzenden neuen Keramiktassen, die aussahen wie frisch aus dem Karton ausgepackt, und das hier war auch kein Kräuter- Spülwasser , sondern der wahre Jakob, so stark, daß man ein Ziehen in den Kaumuskeln davon bekam, und sie setzten sich an den Picknicktisch im Garten und legten ein Päuschen ein, während Verbie Pamela vollquatschte und Pamela zurückquatschte und die Hunde an den Ketten sich allmählich wieder beruhigten. Pan fühlte sich unbeschwert und rein , er segelte geradezu auf den Schwingen dieses herrlichen Tages und genoß den Einblick in Sess Harders Privatleben. Er hatte tausend Fragen an ihn, aber Sess war heute nicht ganz so lebhaft wie beim letztenmal, als Pan ihn getroffen hatte (beim Wildblumen-Festival und Lachsbankett, das Norm vor einer Woche zu Ehren des französischen Nationalfeiertags ausgerufen hatte), und er gab seine Antworten nur in Form von Knurren und vagen Handzeichen. Sess ließ den Blick von seinem Holzstapel durch den Garten und zu den Hunden schweifen, sichtlich geistesabwesend, und als er zehn Minuten lang Tee geschlürft hatte, stand er vom Tisch auf und sagte: »Okay, Pamela, dann machen wir mal weiter.«
Verbie überstürzte sich vor lauter Versicherungen, das sei gar kein Problem – Pan und sie müßten sowieso längst los, wegen X, Y und Z –, und sie dankte Pamela für den Tee und Sess für die Gastfreundschaft und blablabla . Pan aber war in Hochstimmung, und er wollte ihnen unbedingt einen Gefallen tun, einfach um seine Wertschätzung und Dankbarkeit auszudrücken, und er quasselte in einem fort: »Das ist überhaupt kein Streß, Mann, wirklich, ich meine, wir sind morgen abend zurück, also zum Beispiel frisches Brot oder Brötchen für Hamburger, ein Fläschchen Scotch, was ihr eben wollt«, bis Pamela in die Tasche ihrer Jeans griff und einen vergilbten Fünfdollarschein hervorzog, der aussah, als wäre er während der Amtszeit von Franklin Delano Roosevelt gedruckt worden, und sagte: »Zigaretten vielleicht – Marlboro bitte –, und vielleicht bräuchten wir auch, ach ich weiß nicht, diese Schokoriegel mit Mandeln, so fünf oder sechs Stück, und den guten Kaffee, den Wetzel im Angebot hat – ist das Maxwell House? Den in der großen Dose?«
Dann waren sie wieder auf dem Fluß, sausten aus dem Thirtymile hinaus in den tosenden Güterzug des Yukon River. Verbie führte mit derartiger Inbrunst Selbstgespräche,
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