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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wollen, und ... Na ja, ich hab’s mit Joe Bosky schon geregelt. Er fliegt mich rüber zum Flughafen nach Fairbanks. Also, wenn das wettermäßig irgendwann möglich ist.« Er blickte in jedes einzelne Gesicht im Blockhaus, hakte eins nach dem anderen ab. »Und Prem auch«, sagte er. »Prem ist krank.«
    Es dauerte eine Minute. Sie waren geschockt, nichts anderes. Sie waren angeschlagen. Hingen in den Seilen. Niemand hätte das geahnt, nicht einmal in seinen wildesten ... Star sah ihre Gesichter in Flammen aufgehen, die Blicke zu Asche werden. Niemand konnte sprechen. Keiner sagte ein Wort. Norm hatte soeben eine lodernde Fackel ans Dach des Versammlungsgebäudes gehalten, er hatte Napalm auf das Dorf abgeworfen und die Flüchtlinge beschossen. Sie spürte, wie sie sich aus ihrem Sitz erhob, als wäre sie in einer gänzlich anderen Dimension, und geschah nicht genau das mit einem, wenn man starb, diese außerkörperlichen Erfahrungen, wo man als purer Geist über seinem Körper schwebte? Sie stieg immer höher, flog mit den Wolken, und dann durchstieß sie sie und war in der rauhen Nacht der Sterne und Planeten und ihrer eiskalten Hitze. Und jetzt waren da zornige Stimmen, ängstliche Stimmen, die rings um sie aufflackerten, als wollten sie sie abschießen. »Und Marco?« stammelte sie, kämpfte darum, gehört zu werden, »du kapierst nicht, ihr könnt jetzt nicht weg, keiner kann weg – Marco ist irgendwo da draußen!«
    Sie ging hinaus in die Dunkelheit und rief nach ihm, aber die Rufe erstarben ihr im Hals – er kam nicht mehr zurück, niemand kam wieder zurück, Marco war tot, Drop City war tot, und sie hätte ebensogut selbst tot sein können. Der Wind spie ihr ins Gesicht, rammte gegen ihre Schultern, stieß ihr seine trockene Zunge unter den Kragen und in den Hosenbund. Sie mummelte sich in den Parka und unternahm einen Rundgang – hinauf zur Ziegenkoppel, zum Fluß hinunter und wieder zurück, wobei ihre Spuren zuschneiten, sobald sie nur die Füße hob, die Wolken hingen reglos am Himmel, die Hügel schwiegen und ragten wie von den Speeren der Bäume aufgespießt empor. Der Schnee ging ihr fast bis an die Knie und bildete jetzt Wächten, nahm Struktur und Form an. Sie hatte kein Gefühl mehr in den Zehen. Ihre Füße waren wie Eisblöcke, die Fingerspitzen taub. Sie fror. Sie war hilflos. Es gab nichts, was sie tun konnte. Sie machte die Runde ein zweites Mal, kämpfte und schrie: »Marco! Marco!« Sie blieb stehen, lauschte, rief noch einmal. Niemand antwortete.
    Dann war sie in ihrem Blockhaus und legte Holz aufs Feuer. Sie hatte das Haus für sich, einstweilen zumindest, weil alle anderen drüben im Versammlungsgebäude waren und debattierten, herumschrien, die schlechten Schwingungen in sich hineinfraßen, und selbst die, die nicht mitgegessen hatten, waren jetzt auch da – sie hatte ihre dunklen Gestalten durch den Schnee wuseln sehen, es war Panikzeit, allerdings. Sie versuchte, sich zusammenzunehmen, wollte sich überreden, von dem Fensterbrett herunterzusteigen, auf das sie hinausgetreten war. Am allermeisten brauchte sie jetzt Gelassenheit, sie mußte die Dinge durchdenken, ganz nüchtern und methodisch. Marco war verloren. Norm machte sich aus dem Staub. Alles zerfällt, die Mitte hält nicht mehr. Sie sah sich selbst als Witwe von Drop City, wie sie sich an Geoffrey oder den irren George kuschelte, Kartoffeln schälte und eimerweise menschliche Exkremente auf den Misthaufen hinausschleppte, Tag um Tag den schrittweisen Verfall von allem miterleben mußte, was ihr wichtig war und wofür sie geschuftet und gekämpft hatte, und vielleicht würde sie zur Erinnerung an Marco einen Steinhaufen aufschichten, so wie die Indianer das taten, und dann würde sie über die Steine weinen und über ihre zerschundenen Hände und den ganzen unmöglichen naiven, idealistischen Hippietrip, auf dem sie sich befand, seit sie von zu Hause weg war. Was für eine Närrin, dachte sie. Was für eine Närrin war sie doch gewesen.
    Da fiel ihr das Geld ein. Die drei knisternden, blassen silbergrünen Scheine, die in einer Socke unten in der Innentasche ihres Rucksacks versteckt lagen: ihre Versicherungspolice, für Taxi, Bus oder ein Flugzeug, das Ticket zum Abhauen. Ronnie hatte sich davongemacht, Sky Dog und Dale Murray, Rain, Lester und Franklin – und Norm war auch schon unterwegs. Verbie wohnte im Ort drüben mit Iron Steve, in einer Mietwohnung mit Strom und fließend Wasser. Lydia parkte nur kurz, sie sah das

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