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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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die Spalten rings um den Rahmen stopfte. Es war hoffnungslos, alles war hoffnungslos, und sie konnte einfach nicht mit dem Weinen aufhören. Die Zeit verging – Minuten, Stunden, sie hatte keine Ahnung. Das Holz im Ofen brannte zu Glut und dann zu Asche nieder. Sie zitterte. Saß zitternd auf dem Boden, ohne die Willenskraft, nachzuheizen oder sich auch nur in eine Decke zu wickeln. Und dann quietschte die Tür in den Angeln, und sie sah auf, und da stand Marco.
    Marco. Er war ein weißes Laken, überall weiß, wahre Schichten von Schnee, der Schnurrbart war ihm an den Lippen festgefroren, die Haut über seinen Wangenknochen hatte die Farbe und Struktur von vertropftem Wachs angenommen. Er band sich nicht den Schal auf, nahm weder die Mütze ab, noch zerrte er an den Riemen der beiden Gewehre, die ihm um die Schulter hingen – er ging wortlos mit steifen, staksigen Schritten durch den Raum und fing sie in seinen Armen auf.

30
    Pamela saß ohne Licht am Fenster, zündete eine Zigarette an der nächsten an und starrte auf den vom Mond erhellten Hof hinaus. Es war ihr liebster Zeitvertreib, wenn sie einmal mit dem Kochen fertig war und das Geschirr abgewaschen hatte, wenn sie an den Fellen so lange gewerkelt hatte, wie sie es eben noch aushielt, wenn sie Sess’ Kleider alle geflickt und wieder geflickt hatte, bis seine Hosen und Hemden bald von selbst im Zimmer stehen oder sogar wie wandernde Quiltdecken umhergehen konnten – wenn all das geschafft war, wenn das Holz hereingeschleppt, der Ofen nachgeheizt und das Brot für den nächsten Tag in der Form aufging, setzte sie sich hin und sah aus dem Fenster. In der letzten Woche war es klar und kalt gewesen, und der Mond war ihr zur Sonne geworden, immer da und unverhüllt, beschien er den Schnee auf den Hügeln wie eine Theaterkulisse. Sie war vor einer Weile draußen gewesen (um fünf, nach der Uhr zum Aufziehen, die für Sess allmählich eine fixe Idee wurde; ihr Ticken machte ihn verrückt, behauptete er, und immer wieder fragte er sich laut, was sie überhaupt für ein Interesse daran hatte, zu wissen, wie spät es war) und hatte das Pulsieren und die schwindelerregenden Farben des Polarlichts betrachtet, die von Grün nach Gelbgrün und dann zu Lila und Rot wechselten, bis ihr die Kälte in die Knochen gekrochen und sie wieder hereingekommen war. So am Fenster dazusitzen war besser, als ein Buch zu lesen oder Patiencen zu legen oder Kreuzworträtsel zu lösen. Es war ihre Leerzeit, ihre Zeit zum Sinnieren, und sie starrte in die Landschaft hinaus, so wie andere Menschen vielleicht auf das fixierte Bild eines Fernsehschirms starren würden. Jeden Tag kam ein Fuchs im Winterkleid am Haus vorbei, zweimal am Tag sogar. In den Bäumen saßen Eulen. Raben flatterten wie aus der Nacht herabgeworfene schwarze Tücher. Zweimal hatte sie eine schwer beschreibbare Änderung im Ablauf der Dinge gespürt, und beide Male hatte sie ein Rudel Wölfe über den hartverkrusteten Schnee auf dem Proszenium des Flußufers vorüberhuschen sehen.
    Was die Uhr anging, so gab sie nicht nach. Ja, sie hatte sich ihrem Mann anvertraut, und ja, sie verließ sich auf sein Urteilsvermögen und schätzte es hoch ein, und sie genoß es, von ihm ernährt und beschützt zu werden. Und sie verstand gut, was er meinte. Hier draußen im Busch zu leben, das bedeutete ein Dasein in primitiver Zeit, zeitloser Zeit, und wenn man Uhren besaß, die die künstlichen Minuten der von Menschen erfundenen Stunden anzeigten, dann sabotierte das den Sinn der Sache, es unterminierte das Ethos der Natur. Aber man mußte Zugeständnisse machen, so sah sie das, sonst würde man ja noch in Höhlen wohnen und Stöckchen aneinanderreiben – und was war mit der Kettensäge, der Bohrmaschine, der Angel aus Glasfaser und dem Außenborder, den er im Frühjahr zu kaufen plante? Das waren nötige Dinge, argumentierte er, das war Werkzeug, das ihnen half, besser zu leben, und er mußte ja gerade ihr bestimmt nicht erklären, wie dünn der Faden war, der ihr Leben zusammenhielt, hier draußen unter dem erbarmungslosen Himmel, wo in jeder Minute jeden Tag das Verhängnis lauerte.
    Ja eben. Für ihn waren es Kettensäge und Außenborder, aber für sie waren es die Uhr, der Kalender, das Thermometer. Ohne den Zeitmesser wüßte sie nicht, ob es sechs Uhr früh oder sechs Uhr abends war, und da konnte man natürlich einwenden, daß das keinen Unterschied machte, weil Morgen und Abend abstrakte Gedankengebilde waren, so wie die

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