Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
zog sie das Gebilde langsam und behutsam aus
dem Wachstiegel, sorgsam darauf bedacht, kein heißes Wachs auf
die Haut zu bekommen. Der Kerzenzieher beobachtete sie noch
eine Weile und nahm dann seinen Beutel. "Ich bin am
Pfannkuchenstand, wenn etwas ist", sagte er.
"Danke." Daan lehnte sich an einen der Pfosten des
Nachbarstandes. Das konnte dauern.
Es mussten etwa sechsundzwanzig Blüten sein, die Tari
bislang zur Zierde an der Kerze angebracht und dünn mit Wachs
überzogen hatte.
„Fertig.“ sagte sie stolz und hielt die Kerze hoch. Daan
atmete auf.
„Gut, dann können wir schnell noch den Likör für Anouk
besorgen- es ist schon fast Zeit für den Treffpunkt“, sagte Daan.
Tari rief: „Nein, nur fertig mit den Blumen. Sieh mal, die
andere Kerze hier, ich muss noch Ranken dazwischen machen,
wie sollen sich die Blüten denn sonst halten?“ Aufgeregt
trippelnd starrte sie ihn an.
„Wie lange dauert das?“ seufzte er.
„Nicht so lange, bestimmt nicht. Nicht länger als die
Blumen.“ schmeichelte sie.
Himmel, das war mit Sicherheit noch einmal eine halbe
Stunde- Taris Zeitgefühl war das einzige, was an dem Kind nicht
außergewöhnlich gut war.
„Das geht nicht, ich muss den Likör holen.“
„Geh doch allein, ich mache das hier fertig und warte brav.
Und du holst mich hier ab.“
Daan zögerte, seine Kleine allein zu lassen; andererseits- sie
war älter, als sie aussah, und das Kerzenziehen konnte sie schon
wirklich gut.
„In Ordnung, aber wenn der Kerzenzieher wiederkommt,
bleibst du vom Topf fern, bis ich wieder hier bin.“
Tari nickte eifrig.
Daan warf noch einen Blick auf Taris über den Tiegel
gebeugten Rücken, dann eilte er zum Likörstand vorne am Tor.
Er war froh, noch zwei Flaschen Kirsch ergattert zu haben,
um diese Zeit waren die beliebten Sorten nahezu ausverkauft. Es
war noch taghell, kein Wunder in der Mittsommernacht, aber die
mechanische Uhr an seinem Handgelenk verriet Daan, dass es
höchste Zeit für den Treffpunkt war, an dem sich alle Menschen
aus Tallyn, die altern wollten, jedes Jahr zu einem
Sommernachtsfest trafen.
Er eilte zum Stand des Kerzenziehers. Eine Traube von
Kindern drängte sich vor dem Stand, der Inhaber ragte aus dem
Haufen heraus wie ein Turm aus einem Dorf. Daan drängte sich
vor, suchte die Schar nach Tari ab.
Der Mann wurde seiner ansichtig. „Na, hat ihre Kleine das
hinbekommen mit der Kerze?“ fragte er.
„Wieso, war sie nicht mehr hier, als sie vom Essen kamen?“
fragte Daan beunruhigt.
„Nein, der Stand war leer. Ich dachte, ihr wart fertig?!“
Daan gab keine Antwort. Er schärfte seine Sinne, versuchte,
in dem Stimmengewirr die Stimme seiner Tochter herauszuhören,
doch es war unmöglich.
Er lief zu dem Treffpunkt, den sie vereinbart hatten für den
Fall, dass sie voneinander getrennt würden, doch Tari war nicht
dort. Wo war sie? Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, sein Herz
begann zur rasen. Blitzschnell ging er im Geist alle Dinge durch,
die einer Sechsjährigen auf so einem Markt zustoßen konnten. Er
wartete zwei Minuten am Treffpunkt, die ihm wie eine Ewigkeit
vorkamen, und begann dann, den Markt systematisch
abzusuchen.
Interessant
Auf dem Mittelaltermarkt in Dornum herrschte reges
Treiben. Der Vogt zog seine Kapuze etwas tiefer in die Stirn, eilte
an Met- und Tandständen vorbei und gelangte an den
Seifenhändlern vorbei auf die hintere Wiese. Ganz hinten in der
Ecke, neben einer dämlichen Kuh, die behauptete des Wahrsagens
mächtig zu sein, hörte er das Geräusch nach dem er gelauscht
hatte: das Hämmern eines Schmiedes.
Noch ein Stand, ein Tandstand mit münzenbehangenen
Schals in schrillen Farben, dann hielt er den ersten Dolch in der
Hand. Eindeutig keine Fabrikware. Die Waffen waren nicht ohne
Fehl, aber für seine Zwecke würden sie reichen. Für die Flüche
musste man das Opfer nicht sauber ausbluten oder Häuten, der
Dolch musste nur scharf genug sein um die Haut zu ritzen. Diese
Anforderungen erfüllten die Waffen alle.
Er suchte ein Dutzend Waffen aus und zahlte großzügig.
Der Schmied sollte ein gutes Auskommen haben. Wenn der Mann
seinen Stand aufgab, musste er weiter reisen, um
handgeschmiedete Ware zu bekommen. Er überlegte kurz, ob er
den Schmied auf sich einschwören und ihn mitnehmen sollte,
aber dessen Hämmern brachte ihn davon ab. Er würde nach zwei
Tagen so genervt sein von dem Lärm, dass er den Schmied auf die
Streckbank spannen und zerreißen würde; er nutzte
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