Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
zu schließen. Wann war die Welt so laut geworden?
*
Anouk. Sie war wieder da. Vergessen, alles vergessen. Julie vergrub
ihren Kopf in Anouks Schoß. Das sanfte Streicheln ihrer Hand auf ihrem
Haar offnete ein Tor in Julie. Die Tranen, die bis dahin vor ihr geflohen
waren aus Angst, in ihrem Schmerz zu verdunsten, flossen endlich und
es brach aus ihr heraus: "Er hat nur dagestanden, einfach so, er hat
ZUGESEHEN! Wie konnte er ihm das antun? Und nicht nur das, er hat
mich festgehalten, als ich Mathys helfen wollte- er hat, Anouk, oh er
hat..."
"Ich weiß, schsch."
"Aber..."
"Julie, es ist nicht so wie du denkst. Nereide, die Seherin, hat
vorhergesagt, dass es Tote geben wird. Wir wussten nicht, wer es sein
wurde, oder ob mit Tasso die Prophezeiung schon erfullt war.“ Sie
schnauzte sich. „Es hatten genauso gut Chris oder ich sein konnen..."
Soviel schien zu stimmen- Julie erinnerte sich an den Kuss an der
Weggabelung, selten hatte sie die beiden so aufgelost gesehen.
"Warum hat er es nicht verhindert?!" Erst als der Satz ganz heraus war,
merkte sie, dass sie geschrien hatte.
Anouk presste sie an sich, ganz fest, jetzt liefen auch ihr die Tra
nen uber
das Gesicht. "Weil Nereide auch gesagt hat, wenn es verhindert wird,
werden viele sterben- vielleicht alle, die du kennst und liebst", sagte
Anouk.
"Er war der einzige, den ich wirklich geliebt habe."
Julie drehte den Kopf zur Wand, so dass Anouks Hand von ihrem Haar
rutschte. Es mochte ja sein, dass all das stimmte, aber Mathys? Er hatte
das nicht verdient. Und uberhaupt, wenn man einen Menschen fallen
ließ um der anderen Willen, war man dann besser als der Vogt? Sie taten
hier immer so, als seien sie die Guten. Doch nach Allem, was geschehen
war, war Julie sich nicht mehr sicher.
"Hat Chris dir gesagt, dass es Hoffnung gibt?"
Wie konnten sie bloß immer dieses Wort in den Mund nehmen?
Dachten sie, Julie ware so leicht zu beeinflussen, weil sie das damliche
Hoffnungsamulett trug? Sie hatte es nicht einmal um.
"Julie, horst du? Chris sagt, du hattest goldenen Staub an deinem Arm du und Mathys, hattet ihr ein Eón -Bak?"
Wenn sie glaubte Julie wa
re so leicht zu tauschen, hatte Anouk sich
geschnitten. "Woher weißt du davon? Hat Mathys dir das erzahlt" fragte
sie, drehte sich jedoch nicht um.
"Nein. Mathys war auch mit goldenem Staub bedeckt. Die einzige
Erklarung dafür ist, dass ihr den Bund eingegangen seid- ich weiß nicht
wie, aber es scheint das einzig Logische." Julies Gedanken rasten. Sie sah
sich an der Brucke. Bamoth. Der Frosch. Mathys. Das Eón - Bak in seiner
Hand- und in ihrer. Die Worte des Bundes in ihrem Kopf- hatte auch er
sie mitgesprochen, in Gedanken? Julie schlug die Hand vor den Mund
und unterdruckte einen Schluchzer. Sie war in den Kreis getreten,
deshalb hatte Bamoth sie geschubst. Aber Mathys?
Doch, auch er hatte den Kreis berührt, bei dem Versuch sie zu
beschutzen. Sie wandte den Kopf und schaute Anouk in die Augen.
"Also ist es wahr", flu
sterte Anouk.
"Was geschieht nun?" fragte Julie.
"Ich weiß es nicht. Aber" - sie stockte. "Nereide weiß es. Sie hat all das
schon einmal durchgemacht. Und sie hat alles aufgeschrieben, die
Tagebucher sind in der Bibliothek der Aquilani. Ich bitte Mhyrrdin, sie
zu rufen."
Als sich die Tu
̈r abermals offnete, drehte Julie nicht einmal den Kopf.
Die lange Wartezeit hatte die teuflischen Zweifel wieder aufleben lassen.
Hatten sie wirklich den Bund geschlossen? Würde Mathys, ihr Mathys,
wiederkehren? Und wurde er ... genauso sein wie vorher? Und selbst
wenn, was konnte Nereide ihr helfen? Wenn Mathys die wahre
Geschichte erzahlt hatte, gehorte Nereide zu den armen Wesen, die es
nicht geschafft hatten. Wahrscheinlich gab es diesen ganzen
Wiedergeburts- Quatsch überhaupt nicht, war die ganze
Bundgeschichte nur so eine romantische Verwirrung. Der Kummer
kroch Julie die Kehle hoch. Wer hatte schon je davon gehort, dass ein
Geliebter wiederkehrt von den Toten?
Ein Ra
uspern. Ein Schatten auf der weißen Wand vor ihr. Chris. Der
hatte ihr gerade noch gefehlt. Das Mathys vielleicht nicht endgültig
verloren war, ließ ihn nicht weniger grausam scheinen. Sie ballte die
Fauste. Ihren Arm hatte er festgehalten.
"Julie, ich bitte dich. Nereide ist den weiten Weg vom Hooksmeer
gekommen, um dir zu helfen..."
"Das ist nicht ganz korrekt, ich bin hier, weil Mhyrrdin mich darum
gebeten hat" sagte Nereide.
"Wie auch immer, jedes Wort bereitet ihr Qualen, also drehst du dich
jetzt bitte herum
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