Dryadenmacht (Dryaden-Saga) (German Edition)
vor ihr inneres Auge und das neue Wissen, das ihr nach den Prüfkammer zuteil geworden war, ließ die Schlüsselstellen förmlich aufleuchten. Am Ende hatte sie die Gewissheit: Anouk liebte es im Mittelpunkt zu stehen, sie hätte es auch vor ihrer Erkrankung kaum ertragen, wenn alles an ihr vorbeiging, ohne dass sie es beeinflussen konnte. Zum ersten Mal verwünschte Julie ihre neuen Gaben; Anouk war ihre Mentorin gewesen, mehr noch, ihre Freundin. Sie von dieser Seite kennenzulernen tat weh.
„Sieh es mal positiv , Julie.“ Chris war an Anouks Bett getreten und hielt ihr die Hand, doch sie ließ die Augen weiter geschlossen. „Die Krise ist vorbei. Maktoum ist schon abgereist. Er hat auf der dritten Ebene zu tun, es geht um irgendwelche Zuchtpferde, sie sind schon bezahlt und er fürchtet, das Bamoth Truppen sie beschlagnahmen. Auch der Merlin wird froh ein, abreisen zu können. Er ist alt, genau wie sein Pferd, und jeder Tag hier auf der zweiten Ebene ist eine Belastung für ihn, aber wir wollten den Merlin nicht fortschicken bevor du heil aus der Kammer bist, denn nur mit dir sind wir genug Ratsmitglieder, um das Ritual auch ohne einen der Beiden durchzuführen.“
Er holte tief Luft, warf einen Blick auf Anouk. „Schon morgen werden wir die entsprechende Anzahl Steine aus der Burg lösen, denn sie ist das älte ste Gebäude der zweiten Ebene. Und übermorgen können wir dann das Ritual durchführen.“
Julie war immer noch wütend wegen des Zettels, aber sie hatte sehr genau zugehört.
„Wäre es nicht sicherer, der Merlin bliebe noch? Immerhin passt die Anzahl nur gerade so, was, wenn sie“, Julie nickte in Richtung Anouk, „nicht durchhält?“
„Wahrscheinlich hast du Recht, aber der Merlin hat darum gebeten. Er fürchtet, dass sein Pferd stirbt, wenn er noch länger hierbleibt, denn es ist wirklich sehr alt. Wenn er geht, bleiben den beiden wenigstens noch einige Tage, vielleicht sogar ein Monat. Sollten wir da nein sagen?“
Julie war hin- und hergerissen. Sie wusste, wie sehr der Merlin an seinem Pferd hing, aber ging die Sicherheit Tallyns nicht vor? Andererseits war der Merlin nicht einmal ein Bewohner der zweiten Ebene, wenn man es genau nahm, und aufhalten ließ er sich schon dreimal nicht, wenn er gehen wollte. Sie seufzte.
„Können wir ihn denn für den Notfall irgendwie erreichen?“ fragte sie resigniert.
„Ja. Er schickt alle fünfzehn Minuten einen Boten zum Portal um nach Post zu sehen. Das heißt, wir können ihn innerhalb von drei Stunden erreichen. Wenn wir das Ritual morgens beginnen, ist also noch genug Zeit, falls etwas schief geht.“
Das klang vernünftig.
Obgleich das Schlimmste überstanden war und sie die Portale ohne einen Kampf mit den Elfengardisten würden halten können, spürte Julie eine leise Enttäuschung, und sie schämte sich dafür.
War es nicht großartig, dass alles geklärt war und niemand in einem Kampf um die Portale zu Schaden kommen würde? Sie selbst hatte in den letzten Wochen immer wieder gehofft, ja beinahe gebetet, dass sich ein blutiger Krieg vermeiden lassen würde. Woher kam jetzt diese Enttäuschung?
Sie brauchte einen Moment bis ihr klar wurde, woher das Gefühl rührte: eigentlich wollte sie gerne mit Bamoth und seinen Gardisten kämpfen, denn nach dem, was ihr Daan über dessen Gräueltaten erzählt hatte, war sie fest davon überzeugt, dass jemand diesen Wahnsinnigen aufhalten musste. Das Sichern der Portale ohne einen Kampf kam ihr einfach nicht so vor, als ob das Gute gesiegt hätte. Sie konnte nur hoffen, dass Daan endlich seinen Vater fand, denn wenn niemand in Telemnar eingriff, würde die Attacke von Bamoth auf die Portale nicht das Letzte gewesen sein, was der selbsternannte Elfenfürst im Schilde führte. Julie seufzte.
„Ich werde mich vom Merlin verabschieden.“
„Falls er noch da ist, wir haben ihm schon vor einer Weile Bescheid gegeben, gleich als die Nachricht kam, dass du lebend aus der Kammer heraus bist.“
Sie hatten also mit der Entscheidung nicht auf sie gewartet, Chris Diskussion mit ihr vorhin war nur zu ihrer Beruhigung gewesen, keiner der beiden hatte vorgehabt, ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Für einen Moment war Julie v ersucht die Schranke in Chris Kopf zu umgehen, um zu sehen was er wirklich über sie dachte, aber dann interessierte es sie einfach nicht genug, um wertvolle Zeit darauf zu verschwenden. Vielleicht konnte sie den Merlin noch sehen, bevor er aufbrach, er würde sich mit ihr über
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