DS087 - Der purpurne Drache
verdauen. Mit dem »stattlichen« Mann war sicher Doc gemeint. Das war ein erleichternder Gedanke, obwohl ihm schon von Anfang an geschwant hatte, daß Doc wahrscheinlich in Sicherheit war. Doc mußte ihn hier unter dem Namen Smith eingeliefert haben.
»Hab’ ich, während ich bewußtlos war, irgendwelches dummes Zeug geredet?« fragte Renny zögernd – und fügte dann, als er die sich verhärtende Miene der Krankenschwester sah, hastig hinzu: »Ich meine, sind vielleicht Geschäftsgeheimnisse oder so etwas darunter gewesen?«
Die Nurse schüttelte den Kopf, und ihre Miene wurde wieder weicher. »Nein, nichts dergleichen. Geredet haben Sie jedoch. Sie müssen in der Zeitung wohl von dem schrecklichen Purpurnen Drachen in New York gelesen haben, denn den erwähnten Sie mehrere Male.« Renny blinzelte. Und dann fiel ihm plötzlich etwas auf. Die Nurse sprach von New York so, als ob es irgendwo weit entfernt lag. Und vorher hatte sie gesagt, daß er erst am frühen Morgen eingeliefert worden war. Die Explosion hatte aber früh am vergangenen Abend stattgefunden.
Der große Ingenieur richtete sich halb im Bett auf. »Sagen Sie«, rief er, »wo bin ich hier eigentlich?«
Die Nurse wich vor Überraschung einen Schritt zurück. »Wieso, Mr. Smith? Was für eine törichte Frage? Sie müssen doch wissen, wo Sie zuletzt waren. Wir sind hier natürlich in El Paso, Texas.«
Renny fiel zurück, als hätte ihn der Schlag getroffen. El Paso! Letzten Abend war er noch in New York gewesen.
Erschöpft schloß er die Augen. All das war einfach zu kompliziert und schwierig, um es im Augenblick zu überdenken.
12.
Noch andere seltsame Dinge geschahen indessen in der Grenzstadt El Paso.
Eines waren die Aktionen eines kleinen, adrett gekleideten Mannes mit einem grünen Taschentuch in der Einstecktasche.
Dude Starg war ebenfalls früh an diesem Morgen nach El Paso gekommen. Nachdem er Fielding Falcan zurückgelassen hatte, um die Geschichte von der mysteriösen Explosion zu erzählen, die Doc und Renny ›getötet‹ hatte, war Dude zu ihrer Maschine gejagt und in Richtung Süden gestartet.
Nach seiner Ankunft in El Paso hatte er mehrere längere Telefongespräche geführt. Nicht lange danach begann ein ständiger Strom von Besuchern in sein Hotelzimmer zu kommen. Die Mehrzahl dieser Besucher hätte das Hotelmanagement dem Typ nach lieber gehen als kommen sehen, aber Dude teilte reichliche Trinkgelder aus, und so duldete man es stillschweigend.
Erst im Laufe des Nachmittags erhielt er jedoch die Information, hinter der er offenbar her war. Er schrieb sich eine Adresse auf, und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte er.
Dann tätigte er mehrere weitere Telefonanrufe. Kurz danach kreuzten zwei Männer in seinem Hotelzimmer auf. Sie ähnelten einander so sehr, daß man sie für Brüder hätte halten können.
Jeder von ihnen war groß und stämmig gebaut und hatte einen kalten Ausdruck in den Augen. Einem genauen Beobachter würde aufgefallen sein, daß beide Achselhalfter trugen.
Ein paar Minuten später verließ Dude mit den beiden das Hotel. Keiner von ihnen bemerkte den abgerissenen Peon, der sich schon den ganzen Tag in der Hotelhalle herumgedrückt hatte.
Als die drei den Straßenbahnwagen bestiegen, der sie über die Grenze nach Juarez bringen würde, fuhr der
Peon ebenfalls mit. Er zeigte nach außen hin kein Interesse an den drei ›Gringos‹. Er schien seine Aufmerksamkeit ganz auf den Strohhalm zu richten, an dem er kaute.
Nicht weit hinter der mexikanischen Grenze sprang einer von Dudes zwei Gunmen von der Straßenbahn ab. Der zweite sprang einen Häuserblock später ab. Dude wartete noch einen Block, bevor er absprang.
Der Peon sprang dicht hinter Dude ab, aber Dude schenkte ihm keinerlei Beachtung. Für ihn sahen alle Mexikaner gleich aus.
Mit raschen Schritten ging Dude auf eines der ärmlichen Viertel von Juarez zu. Gelegentlich sah er auf den Zettel in seiner Hand.
Dort vereinigten sich seine zwei Gunmen wieder mit ihm. Sie blieben in der Nähe einer Adobehütte stehen, die aussah, als ob sie unbewohnt war. Einer der Gunmen ging zur rückwärtigen Tür. Der andere blieb bei Dude. Dude ging auf die Tür zu und klopfte.
Die Stille drinnen wurde nur von dem Klicken eines zurückgezogenen Revolverhammers unterbrochen. Dude begann rasch zu sprechen.
»Dude Starg ist hier, Red. Ich habe Neuigkeiten für Sie.«
Ein paar Sekunden lang geschah nichts. Der Gunman, der bei Dude geblieben war, hatte
Weitere Kostenlose Bücher