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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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dass möglichst wenig Rückfragen nötig sind«, schlug Maurya vor.
    Â»Verstanden.« Jonathan hob den Kopf und schnüffelte. »Du riechst gut, Maurya.«
    Â»Ist das ein Kompliment?«
    Â»Ja. Ich mag dich.«
    Â»Ich dich auch, mein Lieber.«

| 06 |
    Zweimal im Jahr kam eines der Dampfboote aus dem Delta, die Rachel oder die Queen of the River . Sie waren noch nicht fertig mit dem Anlegen, da balancierten schon die Händler unter der Last ihrer Waren über die Planken ans lehmige Ufer, hetzten keuchend die Böschung herauf, bauten blitzschnell ihre Stände auf und priesen mit lautem Geschrei ihre Waren an, die sie unter den Sonnendächern aus feuchten Tüchern und Binsen ausbreiteten: Kleider, Schuhe, Töpfe, Seife, Bartöl, Sicheln und Klingen aller Art und Form, Sämereien, Gewürze, Öl, Essig, Bambus, Zuckerrohr, eingelegte Früchte und … Pfefferminzbonbons.
    Auf seiner Sänfte wurde Seine Heiligkeit, der Großarchon, unter dem weißen Baldachin auf den Markt getragen. Wir Jungen wurden tags zuvor eingeteilt: acht als Träger der Sänfte, vier als Träger des Baldachins, vier als Khelassy, die die Fächer zu bedienen hatten, um die Fliegen fernzuhalten und um Seiner Heiligkeit Kühlung zu verschaffen.
    Bei solchen Gelegenheiten zeigte sich der Großarchon immer besonders herausgeputzt: Auf dem Kopf eine eng anliegende Kappe aus schwarz-grün gemustertem Kuangaleder, deren Klappen ihm bis auf die Schultern fielen, und die Augenhöhlen lila geschminkt, was seinem schlaffen Gesicht ein bedrohliches Aussehen verlieh – wenn er röchelnd das Kinn hob, weil ihn der Blähhals peinigte, konnte man fast Angst vor ihm kriegen.
    Die Händler breiteten ihre Schilfmatten aus und sanken auf die Knie nieder, um ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen, wobei sie eine unregelmäßige, mehrfach abgeknickte Reihe entlang seines Weges bildeten. Trat er bei dem einen oder anderen näher, um ihm die Ehre zu erweisen, sich für das ausgelegte Angebot zu interessieren, lüftete er sein Gewand, und der Händler beugte sich vor, spitzte die Lippen und küsste unterwürfig die dicken Knie des Großarchons. Dabei hob Seine Heiligkeit segnend den langen Stab aus dunklem Holz mit dem Löwenkopf aus blau-weißem Email.
    Seine wichtigste Station war stets der Zuckerbäcker. Wir sahen ehrfürchtig zu, wie er laut schmatzend den Geschmack der Pfefferminzbonbons prüfte, bevor er einige große Tüten damit füllen und sie in seine Gemächer im Tempel bringen ließ.
    Nachdem wir den Großarchon in den Tempel zurückgetragen hatten, schauten wir uns selbst neugierig an den Verkaufsständen um. Erst jetzt wagten es die Händler, den interessanteren Teil ihrer Kollektionen zur Schau zu stellen. Mit verstohlenen Blicken musterten wir die Frauenunterwäsche und die im Delta gedruckten Magazine, in denen auf Glanzpapier Mädchen abgebildet waren, die sehr wenig und oben manchmal gar nichts anhatten, und die hinter dem Rücken des Großarchons bei den Männern von Hand zu Hand gingen und heimlich angeschaut wurden.
    Mehr als diese Dinge faszinierte Anzo und mich allerdings immer wieder der Scherenschleifer. Eigentlich waren es zwei: Vater und Sohn. Wir sahen gebannt zu, wie der Stein sich drehte und drehte und drehte und Ströme von Feuer spie, wenn der Alte Messer, Äxte und Meißel schärfte, während der Junge, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich, kräftig das Pedal trat. Er grinste uns grimmig an und trat heftiger, sodass die Funken direkt vor unseren Füßen in den Staub fuhren oder gar auf unsere Schuhe und gegen unsere Beine stoben. Wir wichen keinen Millimeter zurück – als gelte es dem Feueratem der Hölle zu widerstehen – und kamen uns mächtig mutig vor dabei.
    Meine Eltern, so erinnere ich mich, hatten jedes Mal am Markttag Streit, weil mein Vater dazu neigte, Geld für Dinge auszugeben, die wir nach Mutters Meinung nicht brauchten oder noch reichlich hatten. Zum Beispiel hielt er es immer für nötig, Schnur zu kaufen: Bindfäden, Wäscheleinen, Angelschnur, Bootsleinen, Netzleinen. Davon kann man nicht genug haben, sagte er lächelnd und entblößte seine Zahnlücken, während er die Schnur über die Breite der linken Hand aufrollte, sie in der Mitte zusammenband und in die große Schachtel legte, in der er seine Schätze hortete.
    Mein

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