Dschungel-Gold
sagen, Sie Idiot! Ich hätte Carlos nach Davao verbannt. Und wenn er wirklich vier Männer getötet hat, dann muß er einen Grund gehabt haben.«
»Man tötet nicht, aus welchem Grund auch immer.«
»Carlos ist jähzornig, das wissen Sie. Wenn es ihn packt, kann ihn keiner mehr zurückhalten. Das ist eine Krankheit. Jähzorn.«
»So kann man es auch hindrehen.«
»Gerade Sie als Arzt können doch keinen verurteilen, nur weil er krank ist.«
»Aber Unheilbare sollte man isolieren. Unheilbar Geisteskranke.«
»Sie nennen Carlos einen Verrückten?«
»Nicht ich. Sie haben gesagt, er sei krank. Ich bin um keine Diagnose gebeten worden.«
»Aber ich stelle Ihnen jetzt eine Diagnose!« sagte Belisa. Dabei atmete sie schwer. »Sie sind der arroganteste Kerl auf dieser Welt. Ich hasse Sie – und das ist mein größtes Vergnügen.«
Dr. Falke antwortete darauf: »Es freut mich, daß ich Ihnen so viel Lustbarkeit bereiten kann.«
»Es hält sich in Grenzen. Und Ihr Zynismus ist zum Kotzen.« Ihre schwarzen Augen blitzten ihn an. »Was verschweigen Sie mir noch alles?«
»Was wollen Sie hören?«
»Alles, was hinter meinem Rücken geschieht.«
»Um das alles zu schildern … dazu ist ein Leben zu kurz.«
»Soviel?«
»Noch mehr.« Dr. Falke blickte durch das ovale Fenster. Urwald, wohin man sah – Urwald. Eine geschlossene grüne Decke, die die Erde verhüllte. Die geschlängelten Muster darin waren die Flüsse, silbern schimmernd in der Sonne. Wälder, die noch nie eines Menschen Fuß betreten hatte. Oder doch? Wer wußte, welche unentdeckten Volksstämme da unten noch im Urzustand lebten? Welche Tiere, die Jahrmillionen überlebt hatten? Welche Pflanzen, deren Blüten, Säfte oder Wurzeln bisher unheilbare Krankheiten besiegen konnten? Wie viele Geheimnisse verbarg diese Erde? Welch ein Abenteuer, zu leben … das alles zu erleben.
»Was wollen Sie eigentlich in Manila?« fragte Dr. Falke plötzlich.
»Dumme Frage.«
»Wieso?«
»Dollars schaufeln, was sonst! Und ich will den Rohgoldpreis bestimmen.«
Dr. Falke starrte Belisa ungläubig an. »Das ist doch ein Witz!«
»Wenn es um Geld geht, scherze ich nie.«
»Madame … die Goldpreise bestimmen nicht Sie, die werden auf den großen Börsen ausgehandelt, in New York zum Beispiel.«
»Nennen Sie mich nicht Madame«, zischte sie wütend. »Ich hasse dieses Wort! Ich erlaube Ihnen, mich Belisa zu nennen.«
»Wieso plötzlich diese Ehre?« Dr. Falke war ehrlich verblüfft. Er konnte diesen Antrag mit dem bisherigen Verhalten Belisas nicht in Einklang bringen.
»Ehre! Bilden Sie sich bloß nichts ein. Ich kann dieses Madame nicht hören, wenn Sie es aussprechen. Es klingt, als wenn Sie mit einer Puffmutter sprechen.« Sie stieß ihm den Ellenbogen in die Seite und lehnte sich dann in das Lederpolster zurück. »Wieviel von dem, was in Diwata passiert, weiß ich nicht?«
»Neunzig Prozent …«
»Was heißt das?«
»Überlegen Sie mal.«
»Heißt das, daß ich so gut wie gar nichts weiß?«
»Genau. Aus dem Goldgräber-Camp Diwata ist eine Stadt mit über dreißigtausend Einwohnern geworden. Nach hiesigen Maßstäben eine Großstadt … eine Urwaldgroßstadt von dreißigtausend Abenteurern, Gesetzlosen, Rechtlosen, Entwurzelten, Glücksrittern, Verbrechern, Träumern und Schuften, von Abschaum und ewig Hoffenden. Eine Stadt ohne die geringste Würde. Die Abwässer fließen in offenen Gräben an den Hütten vorbei, eine von Felsen gebildete natürliche Talsperre ist zu einem See geworden … einem See voller Fäkalien. Die Straßen sind Schlammpfade, über die man Bretter oder Holzknüppel gelegt hat. Und dann der Berg, ein von Hunderten Stollen durchlöcherter Steinklotz, der von Goldadern durchzogen ist, die man mit Preßlufthämmern aufsprengt – dieser verfluchte Berg, der die Menschen verrückt macht, weil sie glauben, ein bißchen Reichtum aus ihm herauszuholen, ein lebenswertes Leben zwischen Suff und Puff, denn jenseits dieses Urwaldes ist kein Platz mehr für einen, der einmal ausgestoßen wurde oder sich selbst von seinem alten Leben verabschiedet hat. Dreißigtausend Schicksale, Belisa … und was wissen Sie davon? Sechzigtausend Hände, die sich durch diesen Berg wühlen und Sie zur Millionärin machen. Deren Boß Sie sind, die Sie regieren mit einer Privatarmee und die für Sie nichts weiter sind als der Dreck, den sie aus den Berg schaufeln.«
Belisa schwieg, aber dann sagte sie: »Sie haben Mut, Doktor.«
»Wahrheit wird erst durch
Weitere Kostenlose Bücher