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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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hielt sich in Grenzen. Er sah unglücklich aus, hörte nicht auf zu fragen, wann wir zurückkehren würden und warum wir überhaupt wegwollten. Das wusste ich auch nicht. Die Hauptsache war für mich, dass wir bald wiederkommen würden.
    Ein paar Wochen später war es dann so weit. Wir hatten alles in unser Boot gepackt und verabschiedeten uns von den Fayu. Tuare kam zu mir, er hatte Tränen in den Augen und schien am Boden zerstört. Als er vor mir stand, drückte er mir etwas in die Hand. Es war ein Krokodilzahn. Doch es war nicht der Zahn, der nun auch mir die Tränen in die Augen trieb, sondern das, was darin steckte …
    In der Fayu-Kultur gibt es drei Stufen der Freundschaft:
    Die erste ist, nebeneinander einzuschlafen und die Zeigefinger ineinander zu haken. Die zweite: an den Fingern des anderen zu kauen. Und um die dritte und höchste Form der Freundschaft auszudrücken, nimmt man einen Krokodilzahn, steckt eine Haarsträhne in den Hohlraum und bindet ihn dem anderen um den Hals. Mit dieser letzten Geste gibt man regelrecht sein Leben in die Obhut des Freundes. Denn in der Kultur der Fayu werden die Haare eines Menschen auch dazu benutzt, ihn zu verfluchen, damit er sterben soll.
    Ein letzter Blick zurück …
    Mit anderen Worten: Tuare hatte mir sein Leben anvertraut. Es war für mich ein todtrauriger Moment, wie wir da mit unserem Boot abfuhren und schließlich nur noch die Trauerlieder der Fayu weithin über den Fluss schallen hörten.
    Kurze Zeit später verließen wir Indonesien und kehrten in die Heimat meiner Eltern zurück.

[home]
Teil 3
    Urlaub in der »Heimat«
    V or kurzem rief ich meine Schwester an. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Amerika.
    »Judith, kannst du dich an unseren Heimaturlaub erinnern?«, fragte ich.
    Ein Moment der Stille. »Komisch, eigentlich nicht«, antwortete sie.
    Es ist eigenartig – ich auch nicht. Nur Bruchstücke von Erinnerungen sind mir geblieben.
     
    Wir wollten nur für ein Jahr in Deutschland bleiben, blieben aber länger. Denn während unseres Heimaturlaubs fingen meine Eltern an, für eine neue indonesische Vereinigung namens YPPM (Yayasan Persekutuan Peninjilan Mairey) zu arbeiten, und es dauerte eine Weile, bis wir neue Arbeitsvisa bekamen.
    YPPM ist eine einheimische Entwicklungshilfe-Organisation, die Menschen unterstützt, die keinen Zugang zu einer Schulausbildung haben. Sie schickt Lehrer auf ehrenamtlicher Basis in verschiedene Stammesgebiete und leistet auch Hilfe anderer Art, zum Beispiel medizinisch. Durch eine Holländerin, die in Indonesien arbeitete, hatten meine Eltern von dieser Organisation gehört. Bald darauf trafen sie den Indonesier Pak Theis, der die Organisation leitet, und eine tiefe Freundschaft entstand, die bis heute anhält. Inzwischen hat YPPM die Arbeit bei den Fayu zum großen Teil übernommen, obwohl meine Eltern noch im Dschungel leben.
    Die ersten Monate in Deutschland waren aufregend! Wir sahen zum ersten Mal all die Dinge, von denen wir bisher nur gehört oder gelesen hatten: Geschäfte, weiße Menschen, die wir nicht kannten, die Autobahn, Heizungen und dann endlich – Schnee.
    Wir waren bei meiner Großmutter in Bad Segeberg zu Besuch. Sie wiederzusehen war das schönste Erlebnis für mich. Über all die Jahre hatte sie uns wunderschöne Briefe und Pakete geschickt, und bis heute habe ich ein besonderes Verhältnis zu ihr.
    Der Wind blies zu dieser Zeit eisig kalt, und der Himmel war bedeckt mit dunklen Wolken. Ich hatte mal wieder vergessen, Strumpfhosen anzuziehen, und träumte eingehüllt in eine Decke vor mich hin. Auf einmal hörte ich Christian aufgeregt rufen: »Schau mal aus dem Fenster!«
    Und tatsächlich: Riesige Schneeflocken schwebten vom Himmel herab und bedeckten den Rasen. Christian, Judith und ich schossen zum Fenster und starrten voller Entzücken hinaus. Es war ganz still, wir wagten kaum zu atmen.
    »Bitte lass es nicht aufhören«, betete ich zum Himmel hoch, und ich wurde erhört. Es schneite immer heftiger, bald war alles mit einer weißen Schicht bedeckt.
    »Die Deutschen müssen bestimmt dankbar sein, dass sie so etwas Wunderschönes jedes Jahr erleben«, seufzte Judith.
    Oma, die sich köstlich über unser Erstaunen amüsierte, hatte eine Idee: »Na, Judith, wenn es dir so gut gefällt, kannst du ja gleich mit dem Schneeschippen anfangen«, sagte sie trocken.
    »Können wir nach draußen gehen?«, fragte ich aufgeregt.
    Und ohne auf eine Antwort zu warten, flitzte ich schon zur Tür

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