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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Aufenthaltes in Deutschland schwierig, nicht immer gleich einen Großeinkauf zu machen.
    Als die Zeit verging und unsere Rückreise sich immer wieder verschob, wurde ich auf der Realschule in Bad Segeberg eingeschult. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie solche Angst gehabt. Deshalb war ich sehr erleichtert, als man mich nach ein paar Wochen wieder von der Schule nahm. Der Direktor hatte meinen Eltern gesagt, dass ich zu alt war, den Sprung in das deutsche Schulsystem zu schaffen.
    Kurz darauf verließen wir Deutschland und flogen in die USA . Wieder eine neue Kultur, eigenartige Menschen mit komischem Verhalten, dachte ich mir. Ich sehnte mich immer mehr nach dem Dschungel zurück und fing an, wie in einem Traumzustand zu leben. Mein Körper war hier, meine Gedanken weit weg. Ich habe nachts viel geweint. Es ist eine Zeit, an die ich nicht zurückdenken möchte. Auch für die anderen war es kein Zuckerschlecken. Es ging uns Kindern immer schlechter, Mama und Papa machten sich große Sorgen. Wir fühlten uns fremd in dieser Kultur, ob es nun Deutschland oder Amerika war, und wollten einfach nur zurück in unseren geliebten Urwald.
     
    Ich kam in die Pubertät, bekam meine Tage, nahm viel an Gewicht zu. Ich aß aus Frust und aus Heimweh. Es half ein wenig, dass Papa während der Zeit des Wartens viele Vorträge über seine Arbeit hielt, und hin und wieder zeigte er auch seine Fayu-Filme. Manchmal kamen die Leute nach dem Vortrag zu ihm und sagten: »So etwas gibt es doch nicht mehr. Du hast es nur fürs Fernsehen gemacht, oder?« Sie konnten nicht glauben, dass so eine abgeschiedene Welt noch existierte.
    Zunächst verletzten mich diese Bemerkungen, doch allmählich lernte ich, darüber zu lachen. Ich stellte mir vor, wie ich den Fayu so manches über die westliche Welt erzählen würde – sie würden mir auch nicht glauben.
     
    Und dann endlich war es so weit! Der Tag, an dem wir unsere Visa bekamen, war ein reiner Freudentag für uns. Papa reservierte gleich einen Flug, und kurze Zeit später ging es los. Als ich den Urwald unter mir sah, weinte ich vor Glück. Ich konnte es kaum glauben – ich war wieder zu Hause. Dass die Zeit in der Zivilisation mich geprägt hatte, mehr als ich es wollte, konnte ich noch nicht ahnen.
    Das Wiedersehen mit den Fayu war unglaublich. Wir umarmten uns, tanzten herum wie kleine Kinder, die Fayu weinten und erzählten uns, dass sie nicht mehr an ein Wiedersehen mit uns geglaubt hatten.
    Am Abend saß ich mit Christian, Tuare, Dihida, Ohri, Bebe, Isore, Diro, Klausu Bosa und vielen anderen ums Feuer. Wir waren alle erwachsener geworden und doch verbunden geblieben. Wir waren eine Familie, und, wie Christian vor dem Schlafengehen hoffnungsvoll sagte, es würde auch immer so sein. Als ich unter mein Moskitonetz schlüpfte, fühlte ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit glücklich.
    Christian und ich kurz nach unserer Rückkehr in den Dschungel
    »Ja«, dachte ich mir, »hier gehöre ich hin.« Und mit diesem Gedanken schlief ich ein.

Der Dschungel ruft
    V oller Energie und Vorfreude richteten wir uns in unserem alten Dschungelleben wieder ein, als wären wir gerade mal zwei Tage fort gewesen. Doch bald ließ es sich auch mit viel gutem Willen nicht mehr leugnen: Unser Haus brach auseinander. Papa war schon zweimal durch den Boden gefallen, die Bretter brachen unter seinem Gewicht. Außerdem war der Wasserspiegel des Flusses gestiegen, und das Haus war ständig überschwemmt. Es war Zeit, umzuziehen, höheres Land zu suchen.
    Kurze Zeit später fanden wir den perfekten Ort. Eine halbe Stunde flussaufwärts mit dem Boot gab es einen Hügel. Die Fayu hatten uns davon erzählt – er sei nicht weit entfernt vom Fluss. Die Aussicht auf kühlen Wind, weniger Moskitos, einen wunderschönen Rundblick und nicht zuletzt das Fehlen von Wildschweinen überzeugte uns.
    Papa ging mit den Fayu, um den Hügel zu erkunden. Er kam zurück und war begeistert. Ein paar Wochen später stießen vier Freunde aus Amerika zu uns, die sich bereit erklärt hatten, beim Hausbau zu helfen. Und schon bald fingen auch die Fayu an, neue Hütten auf dem Hügel zu bauen. Da die Überschwemmungen ihre alten Häuser ebenfalls zerstört hatten, entschlossen sie sich, das ganze Dorf dorthin umzusiedeln. Es waren Fayu vom Stamm der Iyarike, der Tigre und teilweise der Tearü; das Gebiet der Sefoidi war sehr weit weg, doch zu Besuch kamen sie oft.
    Zum ersten Mal in der Erinnerung der Fayu lebten so viele

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