Du bes Kölle: Autobiografie
Lindenstraße gedreht wird. Außer mir machten bei den »Anrheinern« ausschließlich gestandene Schauspieler mit, man denke allein an Marie-Agnes Reintgen, die ich sehr verehre. Meines Erachtens die beste Schauspielerin im Ensemble, mit einer enormen Theatererfahrung. Solche Kollegen empfand ich anfangs durchaus als einschüchternd, deshalb habe ich auch nicht direkt zugesagt. Das mache ich ohnehin nie. Vor solchen Entscheidungen muss ich zuerst einmal in mich gehen, dafür brauche ich Zeit und Ruhe. Also habe ich ein bisschen rumgestanden, ein paar Schnittchen gegessen und bin dann wieder heimgefahren. Ich bin in erster Linie Musiker, habe ich mir gesagt, dafür brauche ich meine Zeit. Wie aufwendig ist also diese Schauspielerei für mich? Ich kann nicht in eine Serie einsteigen, die mich zeitlich total auffrisst. Dann werde ich unglücklich.
Aber letztlich habe ich zugesagt, schon wegen der Crew: Hildegard kannte ich von Kind an, aus »Doof und Dooflinchen«-Zeiten, die Samy ebenfalls sehr lange, und auch Ernst Hilbich. Anfangs musste ich jedoch erst mal den ein oder anderen Passus aus meinem Vertrag streichen lassen. Unter anderem wollten die mir tatsächlich das Motorradfahren verbieten, wegen Verletzungsgefahr. Das ging natürlich gar nicht. Ich habe gesagt: »Ski fahre ich sowieso nicht, das könnt ihr so stehen lassen. Aber meine Harley verbietet mir keiner.«
NICHT WIE DE NIRO
Stress bedeutete die Entscheidung für die »Anrheiner« auch in anderer Hinsicht. Nicht selten mussten wir schon morgens um sieben Uhr auf dem Set antanzen, und dann hieß es: Maske, Garderobe, anziehen. Du hast immer verschiedene Sachen da hängen: »Das ist für Bild Nummer 1, dritte Folge, und dort hängen die Klamotten für Bild 24 A, Folge 5. Drehen wir alles heute.« Nachmittags um fünf kommst du dann völlig geschafft raus aus der Bude und hast womöglich abends um acht ein Konzert.
Die Regisseure müssen sich an einen engen Zeitplan halten. An manchen Tagen haben wir sieben Bilder gedreht, umgerechnet sind das vielleicht acht bis zehn Minuten fertiger Film. Und eine ganze Folge läuft 30 Minuten. Manchmal stehst du mitten im Sommer in Winterklamotten herum. Dann willst du loslegen, aber plötzlich schiebt sich eine verdammte Wolke vor die Sonne. Also müssen noch ein paar Scheinwerfer her fürs Licht, und du schwitzt weiter in deinem dicken Mantel. Oder der Tonmann hat Mist gebaut und alles muss noch einmal gedreht werden, auch so etwas kommt vor. So einem Jungen will man ja nichts Böses, das könnte ich gar nicht. Die stehen manchmal minutenlang still mit ihrem Galgen, mit dieser langen Stange, das ist unglaublich anstrengend.
Zu Hause habe ich mich immer als Erstes mit dem Marker über das dicke Manuskript für den nächsten Tag gesetzt. Das blättert man durch, um zu sehen, wo man drankommt. Kein Mensch liest das ganze Drehbuch, auch wenn er das Gegenteil behauptet. Aber die Geschichte muss man natürlich im Groben kennen. Ich will nicht sagen, dass da meine Faulheit durchschlug. Aber so etwas wie vor dem Spiegel üben oder 40 Kilo abnehmen à la de Niro ist bei mir nicht drin. Was die »Anrheiner« betrifft, war ich immer der Meinung, man darf nicht zu viel lernen. »Wenn du jetzt schlafen gehst, hast du das morgen früh drauf«, sagte ich mir. Und zum Glück hatte ich Marlene, meine Frau. Wenn die mich vorher abgehört hatte, war immer alles paletti, dann fühlte ich mich bestens vorbereitet.
Eine meiner ersten Überlegungen war, ob ich bei den »Anrheinern« nun richtig Kölsch oder Hochdeutsch sprechen solle. Dieses Millowitsch- oder Fernsehkölsch gefällt mir nicht. Das passt nicht zu mir. Also beschloss ich, mein bestes Hochdeutsch zu reden, hinter dem der Dialekt sowieso immer aufscheint. Und der Ludger als mein Spannmann Darius von der Ruhr hat es genauso gehalten.
Als Musiker kannst du selbst entscheiden, wie du vorgehst. Das sind deine Songs, das ist deine Ansage, die du nach Laune bei jedem Gig variieren kannst. Beim Fernsehen jedoch hast du es mit vorgefertigten Texten zu tun. Die hat dir irgendwer auf den Leib geschrieben, aber das heißt ja nicht, dass die auch wie angegossen sitzen. Bei den »Anrheinern« habe ich mir oft genug etwas ganz anderes zurechtgelegt, als im Drehbuch stand. Und meistens hat das dann auch hingehauen. Wenn es um die Technik geht, hören die Freiheiten jedoch auf. Schauspielerdialoge müssen genau auf den Punkt kommen, das war schwierig für mich. Da stehen meinetwegen drei
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