Du bes Kölle: Autobiografie
gesungen hätte. In meinem Leben ist das anders gelaufen, ich hätte solche Verbiegungen nie mitgemacht. Ich habe mich nie verstellt und nichts getan, was für mich ungesund gewesen wäre. Natürlich gab es Momente, in denen ich mir sagte: Okay, da muss ich jetzt wohl oder übel durch. Was soll’s, tut ja niemandem weh. In einer Band hat jeder seinen eigenen Kopf, und davon hatten wir bei den Fööss immerhin sechs. Deshalb muss man hin und wieder einen Kompromiss eingehen.
Trotzdem darf man nicht jene Bereiche aus den Augen verlieren, die einem persönlich wichtig sind. Die muss man sehr sorgfältig abklopfen und zusehen, dass man richtig liegt. Ich habe mich immer hinterfragt vor solchen Entscheidungen: Engel, was machst du da? Bist du das noch? Und wenn die Antwort darauf ›Nein‹ lautete, dann habe ich die Konsequenzen gezogen.
SMOKING UND KLEINES SCHWARZES
1968 wurde Irmgard schwanger. Bislang hatte ich mein komplettes Leben lang in Sülz gewohnt, die letzten fünf Jahre ganz allein mit meiner Mutter. Dass nun in finanzieller Hinsicht harte Zeiten auf uns zukommen sollten, war Irmgard und mir völlig klar.
Mein Vater hatte nie richtig geklebt und als es mit den Vier Botze langsam zu Ende ging, auch nicht mehr viel Geld auf der Tasche. Der lieferte zu Hause praktisch nichts ab, seit er 1963 ausgezogen war. Und deshalb mussten die Pänz ihre Mamm unterstützen. Die größten Verdienste hat sich in der Hinsicht meine zweitjüngste Schwester Ully erworben, die leider auch schon verstorben ist. Ully hieß eigentlich Juliane, und sie war lesbisch. Das wusste jeder, zumal sie schon damals mit einem Mädel zusammenwohnte. Wie sie das Geld für uns aufgetrieben hat, weiß ich nicht, aber sie und ihre Freundin waren irgendwie immer flüssig. Ihre erste Partnerin gehörte eher zu den Aufgetakelten, aber später war sie mit einer ganz seriösen Frau zusammen. Marlies arbeitete im sogenannten Ostkolleg der Bundeszentrale für Heimatdienst, einer Lehreinrichtung, die sich mit der DDR-Propaganda beschäftigte.
Ully hatte auch eine lustige Ader und ist mit 17, 18 sogar mal im Karneval aufgetreten. Da spielte sie mit einem Mann zusammen »Samson und Delilah«, wenn ich mich recht erinnere. Ihre Auftrittserfahrungen nutzte sie später auch in der Kölner Lesbenszene, in der sie bereits sehr früh verkehrte. In den einschlägigen Lokalen ging sie ein und aus, Ully Engel kannte man. Und manchmal sang sie dort. Trank sich ein bisschen Mut an, bevor sie auf die Bühne ging, und legte dann los. Ully beherrschte keine einzige Fremdsprache, sang aber trotzdem auf Russisch, Spanisch und Italienisch. Urkomisch, das hatte was von Trude Herr.
Als ich später mit Irmgard und den Kindern von unserer alten Wohnung in Sülz nach Steinenbrück zog, wechselte dort die Ully rein. Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn so blieb die Wohnung der Familie Engel erhalten. Und das Klingelschild draußen brauchten wir auch nie zu ändern. Da stand immer »Engel« drauf.
Nach damaliger Gesetzeslage war ich mit meinen 19 Jahren noch nicht volljährig, genau wie die Frau, die ich heiraten wollte. Wegen der Schwangerschaft musste jedoch obendrein alles ein bisschen flott über die Bühne gehen. Zum Glück war Zauderei für meinen Vater immer ein Fremdwort. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann wurde das auch sofort erledigt. Zunächst schleppte er mich zum Jugendamt am Ebertplatz. »Ja, Herr Engel«, sagten die da zu meinem Vater, »dann machen wir Ihre Akten demnächst mal fertig, und dann sehen wir weiter.«
»Nä, nä«, antwortete mein Vater, »die nehme ich jetzt auf der Stelle mit. Jeben Se mal her!«
»Oh, Herr Engel, Sie können doch nicht …?«
»Jeben Se mir die Akte, ich mach dat schon.«
Und so zogen wir weiter zum Don-Bosco-Heim in der Großen Telegrafenstraße. Dort sollte ich von irgendeinem Geistlichen auf meine eheliche Reife geprüft werden. Keine Ahnung, was der mir erzählt hat. Oder ich dem. Aber die Sache war schnell in trockenen Tüchern. Statt in zwei Wochen war die Chose dank der Tatkraft meines Vaters in einer Stunde erledigt. Am Ende jenes Tages war ich volljährig. Und am 2. April 1969 haben Irmgard und ich geheiratet, in Ehrenfeld auf dem alten Standesamt. Ich im Smoking meines Bruders August und Irmgard in einem kurzen schwarzen Kleidchen im Stil der neuen Minimode. Gehörte auch nicht ihr, sondern Augusts Frau Gina. Sah aber spitze aus.
DREI KINDER, 33 QUADRATMETER
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