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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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von dort zum Wilden Kaiser auf. Aber den haben wir gar nicht gesehen, sein Gipfel steckte in einer Suppe dichter Wolken. Endloser Regen, tagelang, bis wir die Nase voll hatten. Wir packten die Kinder in den Bus und machten uns auf den Weg Richtung Süden. Mit jedem Kilometer durch die Po-Ebene wurde es wärmer, und irgendwann waren wir an der Adriaküste. In Cesenatico, 20 Kilometer nördlich von Rimini.
    Als wir dort ankamen, waren wir völlig durch. Es war spät am Abend, aber in einem kleinen Restaurant brannte noch Licht. Und da sind wir rein: zwei langhaarige deutsche Milchgesichter, die selbst noch aussahen wie Kinder, aber drei überdrehte, schmutzige Pänz dabeihatten. Das war kein schlechter Auftritt, und man kennt ja die Italiener: »Ah, bambini, oh« – wir wurden bemuttert von vorne bis hinten. Die Menschen dort haben uns aufgenommen, als gehörten wir zur Familie. Es gab reichlich zu essen, und danach haben sie uns ein Hotel direkt schräg gegenüber empfohlen. Da Pino hieß es und war sehr gemütlich. Ab dem nächsten Tag hatten wir immer unseren festen Tisch im Restaurant. Die Kinder durften alles, und das haben sie auch gewusst: »Es ist alles okay, alles ist okay«, hat der Maître immer gesagt.
    In Cesenatico bin ich seither nie wieder gewesen. Aber im Geiste kann ich mich dort hinbegeben, sofort. Und jahrelang noch bekamen wir alljährlich Post aus Italien in Form einer weihnachtlichen Grußkarte.

FÜNF MARK FÜR ZIGARETTEN
    1974, als ich bei der GEW kündigte, war der weitere Weg der Bläck Fööss nicht abzusehen. Bei dieser Entscheidung hatte die Existenzangst noch mit am Tisch gesessen. Einen ersten Höhepunkt erreichten wir dann 1977: Unser Album »Links eröm, rächs eröm« wurde zur meistverkauften LP der Fööss überhaupt. Damals musste man für eine Goldene Schallplatte 250.000 Einheiten verkaufen, heute wird das viel niedriger angesetzt. Aber wir knackten diese Grenze. Und das, obwohl wir als Dialektband unser Publikum ja nur hier in der Region hatten.
    Früher hing meine einzige Goldene auf dem Klo, das kannte ich so von Conny Plank. Der hatte sich seine Toilette tatsächlich komplett mit seinen Goldenen und Platin-Schallplatten tapeziert. Und wenn man drüber nachdenkt, ist das auch nicht der schlechteste Raum für solch eine Ausstellung. Dann kannst du deine Trophäen beim Kacken ganz in Ruhe betrachten. Irgendwann jedoch habe ich mir zu Hause im Severinsviertel eine Wand ausgeguckt, die ich mit alten Erinnerungsfotos, Covern und Ähnlichem bestücken wollte. Und da hängt inzwischen auch die Goldene Schallplatte für »Links eröm, rächs eröm«.
    Dass in der Folge anständig Geld in die Kasse floss, machte keinen anderen Menschen aus mir. Meine Bedürfnisse sind immer recht gewöhnlich geblieben. Champagnerbäder waren nie mein Ding. Ich wusste, was es heißt, ewig klamm zu sein, ich konnte ohne viel Geld leben. Nachdem mein Vater uns 1963 verlassen hatte, war meine Mutter immer knapp bei Kasse gewesen. »Jung, wills de jetz nit bal ens jet afjevve zo Hus?«, hat sie mich nicht nur ein Mal gefragt. Aber was haben wir damals für einen Gig bekommen? 50 Mark vielleicht. Und dazu frei Trinken und ein Kotelett, das war’s dann.
    Und wie gewonnen, so zerronnen: Im Grunde hatten wir in den 60ern immer Schulden. Wenn man gerade mal flüssig war, brachte man seine Kohle zum Kossmann. Das war der Musikladen auf der Bonner Straße. Irgendetwas brauchte man immer: Sticks, einen neuen Satz Hi-Hat-Becken und so weiter. Einmal die Woche war ich deshalb mindestens beim Kossmann, und aus den Miesen kam ich nie raus. Später hat dann die Irmgard mir schon mal fünf Mark gegeben, für Zigaretten oder eine Fahrkarte. Meine Zukünftige hatte, bevor die Kinder kamen, immerhin einen Job.
    Wenn du Spaß an der Musik hast, die du machst, dann denkst du nicht an Geld. Das änderte sich für mich erst in dem Moment, als ich Familie hatte. Ab dann musste ich natürlich zusehen, dass irgendwie Knete reinkam. Die Kinder mussten ja was zu essen haben, die brauchten Klamotten und hin und wieder auch Spielsachen. Manchmal bin ich mit dem VW, den mir mein Vater geschenkt hatte, von Porz nach Sülz gefahren, weil wir keinen Pfennig mehr auf der Tasche hatten. Mit dem letzten Tropfen Sprit über den Rhein, um mir von meiner Mutter Geld zu leihen. Dann hat sie mir 20 Mark gegeben, die sie selbst vielleicht gerade von meiner Schwester Ully bekommen hatte. Davon habe ich dann für fünf Mark getankt, damit ich

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