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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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vierte Zigarette für den Tag an. »Ich höre Ihnen gern zu.«
    Hagi begann zu reden, hin und wieder unterbrochen von seinem hartnäckigen Husten.
    »Ich bin jetzt sechsundvierzig. Geboren bin ich in der Peripherie von Gala ţ i, nicht weit vom Schwarzen Meer. Mein Bruder Marcel und ich wurden Waisen, als er sechzehn war und ich zwölf. Wir zogen nach Constan ţ a, am Schwarzen Meer, wo wir im Hafen Arbeit als Verlader fanden. Geschlafen haben wir in einem Schuppen dort. Wir waren das, was Sie ›liebe Jungs‹ nennen würden.«
    »Mit einer schwierigen Kindheit …«
    »Das Schlimmste kommt erst noch. Mein Bruder spielte sehr gut Fußball. Er war Torwart«, fuhr Hagi fort. »Anfang 1978 holte ihn eine Mannschaft der A-Liga nach Bukarest. Er bekam ein kleines Gehalt, das es ihm erlaubte, mich mitzunehmen und mir Mathematikstunden beim Buchhalter der Mannschaft zu bezahlen. Eines Tages im Mai 1978, im Finale der Landesmeisterschaft, wehrte Marcel in der letzten Minute einen Strafstoß ab, und seine Mannschaft gewann gegen die andere, deren Präsident der Sohn von Ceau ş escu war.«
    Hagi wurde von einem starken Hustenanfall geschüttelt. Dann erzählte er weiter.
    »Zwei Bastarde von der Securitate überfielen uns in unserem gemeinsamen Zimmer und brachen ihm jeden Finger einzeln. Marcel beging den großen Fehler, zur Polizei zu gehen, um Anzeige zu erstatten. Als ich ein paar Tage später nach Hause kam, war unser Zimmer durchwühlt und voller Blut. Sie hatten Marcel die Hände abgehackt, und er war verblutet.«
    Hagi machte eine kurze Pause, um sich eine neue Zigarette anzuzünden.
    »Durch Zufall war ich verschont geblieben, aber mir war klar, dass sie mich aufspüren und ebenfalls töten würden. Ich war neunzehn und hatte nichts zu verlieren. Freunde von mir kannten jemanden in Krakau, wo ich Unterschlupf fand. Ich hatte Glück, denn ich lernte Alina kennen. Sie war erst sechzehn und ebenfalls Waise. Alina lebte bei ihrem Onkel, einem Priester, der schon mit Wojtyla zusammengearbeitet hatte und ein Waisenhaus leitete. Als der Onkel sechs Monate später auf Wunsch des Papstes nach Rom ging, heirateten wir und begleiteten ihn. Im April 1979 kamen wir hier an, und Alina fand durch ihren Onkel sofort Arbeit.«
    »Und Sie machten sich selbstständig und nutzten Ihre Beziehungen nach Osteuropa.«
    »Ich hatte nicht viel zu bieten, aber ich stellte schnell fest, dass die Italiener sehr viel übrig hatten für Mädchen aus dem Osten. Sie fuhren mit Koffern voller Nylonstrümpfe, Jeans und Kosmetik nach Warschau, Belgrad und Budapest. Ich nutzte meine Beziehungen nach Polen und begann, solche Vergnügungsreisen professionell zu organisieren. Das war nicht illegal. Ich stellte den Kontakt zwischen beiden Seiten her, und alle waren zufrieden. Später eröffnete ich Bars und Restaurants in dem Viertel, in dem die meisten Polen wohnten. So wurde ich ein vermögender, angesehener, integrierter Einwanderer.«
    »Italien ist sehr gastfreundlich. Eigentlich müssten Sie unser Land doch mögen, oder?«
    Hagi überlegte einen Moment, als wäre das eine wirklich schwierige Frage.
    »Italien hat mich reich gemacht, Balistreri. Doch Italien hat mir auch das Wertvollste genommen. Alina war gerade mal zwanzig, als sie 1983 starb.«
    Balistreri wusste das schon aus der Akte. Ein banaler Mopedunfall, eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Römern. Aber warum machte Hagi Italien für den Verlust seiner Frau verantwortlich?
    »Monsignor Lato, der Ihnen und Ihrer Frau geholfen hatte, nach Italien zu kommen, erstattete Anzeige gegen Sie. Er sagte, Alina sei auf der Flucht vor Ihnen verunglückt.«
    Hagis schwarze Augen blitzten. »Alina war wie eine Tochter für ihn. Der Schmerz raubte ihm den Verstand.«
    »Laut Protokoll behauptete Monsignor Lato, Sie hätten Ihre Frau geschlagen.«
    Wieder ein leichtes Schaudern, wie das Echo eines fernen Bebens. Dann antwortete Hagi kühl. »Als Monsignor Lato sich einen Monat später beruhigt hatte, siegte die Vernunft über den Schmerz, und er zog die Anzeige zurück. Und jetzt Schluss mit dieser Geschichte, sie hat nichts damit zu tun.«
    »In Ordnung. Wie ist es Ihnen nach dem Tod Ihrer Frau ergangen?«
    »Sechs Jahre lang habe ich ohne große Begeisterung meine Geschäfte weiterbetrieben. Als sich Rumänien 1989 von diesem Schwein von Ceau ş escu befreien konnte, habe ich in Italien alles verkauft, bin in meine Heimat zurückgegangen und habe mir von meinen Ersparnissen Immobilien gekauft,

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