Du bist das Boese
deren Wert sich mittlerweile verdoppelt hat. Ich besitze in Bukarest Bars, Restaurants, Immobilienagenturen und Reisebüros. Zweimal im Jahr fahre ich hin.«
»Und in Italien haben Sie alles verkauft?«
»Hier besitze ich nur noch das Häuschen, in dem ich lebe, ein paar Wohnungen, das Billardcafé und Marius-Travel. All dies nutze ich, wenn Landsmänner Arbeit oder eine Bleibe brauchen. Ich helfe jungen Rumänen, sich hier einzugliedern. Und auch den Roma, die hier in Italien in Lager gepfercht und von der Polizei wie Tiere behandelt werden.«
»Kennen Sie Vicecommissario Colajacono?«, fragte Balistreri.
Hagi verzog das Gesicht und bekam einen Hustenanfall. Sofort zündete er sich die nächste Zigarette an.
»Ich weiß, wer das ist. Alle hier kennen ihn. Manche besser, als ihnen lieb ist.«
»Sie haben ihn nie gesehen?«
»Doch, einmal hier im Lager. Bei einer Durchsuchung wurde unter den Autowracks ein funktionstüchtiges Moped gefunden, und er wollte wissen, wer es geklaut hat. Es war Adrians Moped, das er vor dem Motorrad da draußen besaß. Er hatte es einem Schrotthändler abgekauft, gegen Bares.«
»Und was ist dann passiert?«
»Ich sagte Adrian, er solle hingehen und sagen, dass es seines sei. Er und Giorgi gingen also raus, und ich sah durchs Fenster zu. Plötzlich kamen Colajacono und ein anderer Typ mit den beiden in den Wohnwagen. Ich versteckte mich schnell im Schrank. Colajacono wollte Papiere für das Moped sehen, die es natürlich nicht gab. Der andere Polizist sagte, dann sei das Moped wohl gestohlen, und sie würden es konfiszieren und ihn verhaften.«
»Erinnern Sie sich noch an den Polizisten?«
»Ja, ein kleiner Dicker war das, hatte kaum Haare … Er befahl Adrian, ihm die Mopedschlüssel auszuhändigen. Adrian sagte: ›Ich denk nicht dran.‹ Da zog ihm der Kerl eins mit dem Gummiknüppel über. Beide wurden verprügelt. Dann haben sich die Typen den Schlüssel geschnappt und das Moped einfach mitgenommen. Kein Protokoll, gar nichts. Einen Tag später fand Adrian die Einzelteile seines Mopeds vor dem Lager wieder. So habe ich die Bekanntschaft von Colajacono gemacht.«
»Colajacono ist derjenige, der nach Nadias Verschwinden die Vermisstenanzeige der Iordanescu aufgenommen hat.«
Es schien, als hätte Hagi jegliches Interesse an dem Gespräch verloren. Er schwieg.
»Gestern habe ich Sie gefragt, was Sie von Nadias Verschwinden halten. Glauben Sie, dass Mircea …«
Marius Hagis Augen funkelten. »Meine Angestellten wissen, dass ich sehr gekränkt wäre, wenn sie hinter meinem Rücken irgendetwas anstellen würden.«
Du bist der Retter der Armen und Geplagten. Nur kränken sollte man dich nicht.
»Eine letzte Frage hätte ich noch. Sie betrifft Ihre Frau Alina.«
Hagi sah ihn lange an und schwieg. Er sagte kein Wort. Dann stand er auf. Das Gespräch war beendet.
Coppola stieg aus der Straßenbahn. Er war zu früh für die Verabredung mit der Witwe von Sandro Corona. Zum Zeitvertreib schaute er sich in dem eleganten Viertel die Schaufenster an. Vor einem Schuhgeschäft blieb er stehen. Einige Herrenmodelle waren großartig, mit hohen, aber unauffällig eingearbeiteten Absätzen. Als er die Preisschilder sah, erstarrte er vor Schreck. Trotzdem war der Laden gut gefüllt mit Kunden, die Schuhe anprobierten und auch kauften. Er könnte sich bestenfalls die Absätze leisten.
In der Fensterscheibe sah er das flüchtige Spiegelbild eines Gesichts. Ein Moment des Unbehagens. Er setzte seinen Spaziergang fort und blieb noch vor anderen Schaufenstern stehen. Nichts. Erst kurz vor dem Hauseingang von Signora Corona konnte er das Gesicht zuordnen. Es war der junge Mann, der in einer Ecke der Straßenbahn gesessen hatte.
Er schickte eine SMS an Balistreri und Corvu, dass ihm jemand folge, und setzte ein verlegenes Fragezeichen dahinter.
Der Pförtner des Hauses, in dem Coronas Witwe lebte, war ein argwöhnischer Mensch, und Coppolas Aussehen stimmte ihn noch misstrauischer. Als Coppola sich sogar ausweisen musste, beschloss er, von seinen amtlichen Befugnissen Gebrauch zu machen und ein paar Informationen einzuholen.
»Wohnte die Signora hier mit ihrem Mann?«
»Nein, sie hat die Wohnung erst vor sechs Monaten gekauft. Da war ihr Mann schon verstorben.«
»Und lebt sie allein?«
Der Pförtner sah ihn schief an. »Das geht mich ja eigentlich nichts an. Aber okay, sie lebt allein.«
Ornella Corona war ein ähnlich luxuriöses Prachtstück wie die kostspielige Wohnung, die sie sich
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