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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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Marius. Und im Waisenhaus war sie für alle eine wichtige Stütze. Ungefähr drei Jahre ging das so. Dann, ich weiß nicht genau, wann, änderte sich irgendetwas. Ich traf Alina und Marius jeden Sonntag zum Angelusgebet auf dem Petersplatz. Eines Tages kam sie allein, und von da an nahm Marius nie wieder daran teil. Anfangs behauptete Alina noch, er sei geschäftlich unterwegs, später sagte sie dann gar nichts mehr. Ich sah, dass es ihr nicht gut ging. Sie war nicht mehr so fröhlich und unbeschwert, und sie wirkte müde. Ich versuchte, mit ihr zu reden, aber sie wollte sich mir nicht anvertrauen. Monate vergingen, bis ich Marius Weihnachten 1982 wiedersah, auf einem großen Fest in der Pfarrei. Marius kam mit riesigen Geschenken für die Kinder. Ich beobachtete Alina und hoffte, den Stolz, den sie früher für Marius empfunden hatte, wiederzuentdecken, aber da war nichts als Schmerz. Daraufhin beschloss ich, mit Marius zu sprechen. Ich fragte ihn, ob alles in Ordnung sei.«
    »Hat er Ihnen eine Antwort gegeben?«
    »Er sagte, Alina und er müssten sich an das Treuegelübde halten, das sie am Tag ihrer kirchlichen Trauung abgelegt hätten. Da verstand ich, dass Alina eine Gefangene war. Und dass sich dahinter etwas verbergen musste, das ihr großen Kummer bereitete.«
    »Nach Alinas Tod haben Sie gegen Marius Hagi Anzeige erstattet.«
    Monsignor Lato erlaubte sich einen Seufzer. »Es war keine richtige Anzeige, nur eine Erklärung. Der Unfallhergang ließ keine Fragen offen, es gab zahlreiche Zeugen. Aber es war offensichtlich, dass Alina auf der Flucht war. Sie starb, weil sie vor Marius Hagi floh.«
    »Konnten Sie das irgendwie beweisen?«
    »Nicht direkt. Alina hatte sich mit einigen jungen Frauen angefreundet, die ebenfalls im Waisenhaus arbeiteten, und zwar besonders mit einer. Die beiden waren unzertrennlich. Bei Alinas Beerdigung war diese Freundin völlig verzweifelt. Nach der Zeremonie lud ich sie auf einen Kaffee ein, und sie erzählte, sie habe Alina vor ein paar Tagen dabei überrascht, wie sie sich im Waschraum des Waisenhauses die von Blutergüssen übersäten Arme eingerieben habe. Sie habe sie gefragt, wer das gewesen sei, aber Alina habe sich geweigert, es ihr zu sagen.«
    »Die Freundin dachte aber an Hagi.«
    »An wen sonst? Jeden anderen hätte Alina ihr doch nennen können.«
    »Sie haben Ihre Erklärung ein paar Tage später wieder zurückgezogen.«
    Monsignor Lato klang verbittert.
    »Ich konnte von der jungen Frau ja nicht verlangen, eine Aussage zu Protokoll zu geben. Das hätte sie in größte Schwierigkeiten gestürzt. Und was hätte es genützt? Alina war tot.«
    »Eine letzte Frage noch, Monsignore. Wie hieß diese junge Frau, die Freundin Ihrer Nichte?«
    »Ihren Namen habe ich, glaube ich, nie gewusst. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, das ist so viele Jahre her.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Monsignore. Dieser dünne Faden, der sich aus der Vergangenheit in die Gegenwart hineinzieht, ist sehr wichtig für uns. Ich muss wissen, was zwischen Alina und ihrem Mann vorgefallen ist.«
    »Und was machen Sie dann mit diesem Wissen, Dottor Balistreri?«
    Wie Alessandrini. Das Jüngste Gericht obliegt Gott allein.
    »Mein Gebiet ist die irdische Gerechtigkeit, Monsignore, nicht die göttliche. Wenn Sie den Namen nicht wissen, beschreiben Sie mir die junge Frau. Ich werde andere Zeugen nach ihr fragen und sie irgendwie ausfindig machen.«
    Monsignor Lato lachte. »Da kann ich sogar noch mehr für Sie tun. Alina und ihre Freundin haben mich mal darum gebeten, sie zu fotografieren …«
    Balistreri hielt den Atem an.
    »Ein Abzug steht auf meinem Nachttisch. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie dieses Foto gern sehen würden.«
    »Monsignore, ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen danken soll. Haben Sie zufällig schon einmal etwas von einem Scanner …«
    »Auch das Göttliche bedient sich des technischen Fortschritts, Dottore. In ein paar Minuten bekommen Sie eine E-Mail mit dem Foto.«
    Diese wenigen Minuten verbrachte Balistreri damit, an Linda Nardi zu denken.
    Du hast mich zu Alina Hagi geschickt. Und was erwartet mich jetzt?
    Die Antwort kam prompt. Ein Piepton meldete die E-Mail von Monsignor Lato. Das Foto war gestochen scharf. Zwei junge Frauen lächelten in die Kamera. Alina Hagi und Samantha Rossi.
    Sie trafen sich am Vormittag in Pasqualis Büro. Schon von klein auf hatte Pasquali von seinem Vater und seinen christdemokratischen Freunden gelernt, wie man verzögerte,

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