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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Costantini
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interessant. Irgendetwas findet man immer, man muss nur tief genug graben.
    Antonio Orlandi war Sportlehrer an einer privaten Mittelschule. Ich stattete ihm gegen sieben Uhr abends einen Besuch in San Valente ab, kurz nach Beginn seiner Schicht, weil Padre Paul dann nicht da sein würde. Die Kinder spielten Fußball, Jungen gegen Mädchen, Orlandi stand im Tor.
    Es war noch heiß, man hörte das Zirpen der Zikaden, und die Abkühlung ließ auf sich warten. Der Rasen war ungepflegt, von dem Haus, in dem die Kinder wohnten, blätterte die weiße Farbe ab, und der einzige Baum konnte einem fast leidtun. Und doch herrschte eine positive, fröhliche Stimmung. Orlandi kam zu mir unter den Baum. Er war um die dreißig, ein sehr ordentlicher und gepflegter Typ, fast ein bisschen zu geschniegelt.
    »Ihre Kollegen haben mich schon mehrmals befragt.« Er sah mich nicht an, sondern verfolgte das Fußballspiel, als ginge es um das Finale der Weltmeisterschaft.
    »Süß die Kinder, was?«, ließ ich fallen.
    »Sicher«, antwortete er etwas übereilt. »Kinder sind Engel.«
    Eine Antwort wie aus dem Katechismus. »Die Jungen oder eher die Mädchen?«
    Er sah mich argwöhnisch an. »Eigentlich wollen Sie doch sicher wissen, wo Padre Paul am Sonntag des WM -Finales war?«
    »Nein, darum haben meine Kollegen sich schon gekümmert … Padre Paul kam vor sechs hier an, Sie brachten die Kinder in die befreundete Gemeinde, und als Sie gegen acht wiederkamen, war Padre Paul hier und das Essen fertig. Dann haben Sie sich das Spiel angesehen und die Kinder ins Bett gebracht. Gegen Mitternacht sind Sie ebenfalls schlafen gegangen. Richtig?«
    »Genauso war es«, sagte er etwas entspannter.
    »Wie sind Sie an den Job in der Schule gekommen, an der Sie unterrichten, Signor Orlandi?«
    Orlandi steckte sich eine Zigarette an, und ich schloss mich an. Er nahm sich Zeit. Ich hatte Zeit.
    »Cardinale Alessandrini hat mich weiterempfohlen«, sagte er schließlich. Das wusste ich bereits. Mich interessierte nur, ob es ihm unangenehm war, damit herauszurücken.
    »Haben Sie vorher schon unterrichtet?«
    »Nur im Fitnessclub, nach meinem Abschluss an der Sporthochschule.«
    »Hatten Sie sich auch an einer öffentlichen Schule beworben?«
    »Nein«, sagte er.
    »Warum nicht? Das tun doch alle!«
    Er schwieg. Ich quälte ihn absichtlich.
    Ein Junge und ein Mädchen bekamen sich in die Haare. Orlandi stand auf und wollte hingehen.
    »Bleiben Sie hier, und beantworten Sie meine Frage«, drohte ich ihm. »Die kleinen Rotznasen kommen schon allein zurecht.«
    Er starrte mich fassungslos an. »Was erlauben Sie sich? Diese Kinder haben so viel durchgemacht …«
    Ich fiel ihm ins Wort. »Mit siebzehn gehörten Sie zu einer Pfarrgemeinde am Stadtrand. Sie wurden wegen sexueller Handlungen vor einer Zwölfjährigen angezeigt. Was hat einer wie Sie hier zu suchen?«
    Er taumelte. Dann sackte er auf einem Stuhl zusammen, das Gesicht in den Händen. »Ich hatte doch nichts getan«, murmelte er.
    »Von wegen. Laut Polizeibericht wurden Sie mit heruntergelassener Hose erwischt.«
    »Das war in einem Park. Ich hatte mich zum Urinieren hinter einem Baum versteckt. Das Mädchen ist ihrer Tante weggelaufen und hat mich gesehen …«
    »Das glaube ich nicht. Sie bekamen sechs Monate auf Bewährung. Eine Verurteilung wegen Missbrauchs an einer Minderjährigen blieb Ihnen nur erspart, weil Sie selbst noch nicht volljährig waren und weil Sie einen guten Anwalt hatten. Den übrigens die Kurie bezahlt hat.«
    »Ich habe die Kleine nicht angefasst, und es ist nie wieder etwas vorgefallen.« Er sprach leise, völlig apathisch.
    »Cardinale Alessandrini hat Sie begnadigt. Ohne ihn würden Sie heute nicht unterrichten und wären auch nicht in San Valente.«
    »Das ist richtig«, flüsterte er. »Aber was hat das mit Padre Paul zu tun?«
    Blöde Frage. Orlandi war ein Schwein. Und ganz sicher war er auch ein Dummkopf. Sollte er Padre Paul ein falsches Alibi liefern, hätte er allen Grund dafür.
    Jan Deniak jobbte abends als Barmann in einem Lokal in Trastevere. Ich rief Angelo an, um ihn zu fragen, ob er mitkommen wolle. Wir hörten gar nichts mehr voneinander, und er fehlte mir. Obwohl er zusagte, spürte ich, dass die Sache zwischen uns noch nicht ausgestanden war.
    Gegen zehn kamen wir im offenen Spider dort an. Auf der Piazza Trilussa drängelten sich bereits stark alkoholisierte Menschen. Wir kamen kaum vorwärts. Dass hier auch Autos durchwollten, scherte die jungen Leute

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