Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
Vom Netzwerk:
wir für Kinder zwar ein gesetzliches Recht auf eine gewaltfreie Erziehung verabschiedet haben, nach wie vor jedoch die Anwendung von körperlicher Gewalt als Maßnahme zu einem allgemein akzeptierten Erziehungsmittel gehört.
    Das hat auch damit zu tun, dass hier zwei Rechtsprinzipien kollidieren. Zwar verbietet das Bürgerliche Gesetzbuch körperliche Gewalt gegen Kinder. Zugleich jedoch erklärt das Grundgesetz (GG) die Erziehung zur obersten Obliegenheit der Familie, die Kinder also gleichsam zur »Privatsache« der Familie.

Artikel 6 GG

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
    Dieser Artikel garantiert das unantastbare Grundrecht der Familie, die Erziehungsverantwortung für Kinder zu übernehmen. Hintergrund ist der Schutz vor der staatlichen Allzuständigkeit, wie sie in Deutschland in totalitären Systemen praktiziert wurde, um der Familie einen privaten Schutzraum zuzuerkennen, in dem sich Kinder in einer staatsfernen und von persönlicher Zuwendung durch die Eltern geprägten Kindheit entwickeln können. Und wenn es richtig ist, dass die Familie ein Schutzraum des Privaten ist, so kann die Auslieferung von Kindern an dort praktizierte Gewalt nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsel unterbunden werden. Das heißt: keinerlei Gewalt gegen Kinder zuzulassen und ihr nicht tatenlos gegenüberzustehen, weder auf der Straße noch, wenn dies hinter verschlossenen Türen zu hören ist. Der Staat kann nicht in die Familien hineinregieren; jeder Einzelne von uns ist gefragt, jederzeit und überall einzuschreiten, wenn Kinder misshandelt werden. Familie ist ein Schutzraum des Privaten, aber physische oder psychische Gewalt gegen Kinder ist keine Privatsache.
    Mir begegnen Eltern, in deren Wertvorstellungen Gewalt fest verankert ist. Ich treffe auch auf Eltern, die ihre Kinder ab und zu schlagen, denen »die Hand ausrutscht«, denen »der Kragen platzt«. Und auch wenn manche hinterher von einem schlechten Gewissen geplagt werden, scheint das Bewusstsein für die Folgen von derartigen erzieherischen Maßnahmen wenig entwickelt. Zwischen »Nein, das sollte man nicht machen« und »Wieso nicht? Ein Klaps hat noch keinem geschadet« gibt es viele verschiedene persönliche Ansichten. Ganz so, als ob es Privatsache von Eltern sei, ihr Kind zu schlagen. Dabei ist die juristische Sachlage klar. Kinder haben längst ein gesetzlich verbrieftes Recht auf gewaltfreie Erziehung.

§ 1631 Abs. 2 BGB

»Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.«
    Dieser Paragraf wurde im Jahr 2000 novelliert; vorher hatte es im Gesetzestext weit weniger eindeutig und entschieden geheißen: »Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen, sind unzulässig.« Die Stärkung der Kinderrechte durch diese – wenn auch recht späte – Novellierung ist begrüßenswert. Doch die eigentlich notwendige staatliche und gesellschaftliche Kampagne, die hätte folgen müssen, blieb bis heute aus. Es scheint keine wirkliche Einigung auf einen neuen gesellschaftlichen Konsens zu geben – einer Verhaltensänderung muss immer eine Haltungsänderung vorausgehen. Diese Haltungsänderung hat gesamtgesellschaftlich (noch) nicht stattgefunden.
    Schaut man hingegen nach Schweden, findet man ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Haltung einer ganzen Generation und aller Generationen, die auf sie folgen werden, verändert werden kann.
    In Schweden wurde das Gesetz gegen die Züchtigung von Kindern im Jahr 1979 verabschiedet. Natürlich führte diese Tatsache allein nicht dazu, dass Eltern ihre Haltung und ihr Verhalten änderten. Die schwedische Regierung begleitete – auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern nach Alternativen zu den herkömmlichen Erziehungsmethoden – das neue Gesetz mit einem ausführlichen »Kinder- und Eltern-Kodex« und startete eine breit angelegte Aufklärungskampagne. Slogans gegen die Züchtigung von Kindern wurden auf

Weitere Kostenlose Bücher