Du bist zu schnell
hing in der kalten Luft. Auf dem Gras lag Frost, und die glatte Straße spiegelte die Laternen in einem unwirklichen Licht.
Irgendwann fuhr ein Taxi neben mir her. Ich ignorierte es. Dann glitt das Beifahrerfenster herunter und ein Mann fragte, ob ich nicht mitfahren wollte. Ich schüttelte den Kopf und lief weiter. Kurz darauf fuhr das Taxi an mir vorbei und verschwand um die Ecke. Ich atmete erleichtert aus und blieb stehen, um mir eine Zigarette anzuzünden.
- Entschuldige, sagte eine Stimme hinter mir.
Ich erschrak so sehr, daß ich auf dem glatten Bürgersteig beinahe ausgerutscht wäre.
- Ich bin’s nur, sagte der Mann, Der Typ aus dem Taxi. Ich bin ausgestiegen. Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.
- Schon gut, sagte ich, und er ließ meinen Arm los. Ich stand wieder sicher und schaffte es, mir selbst Feuer zu geben. Wir sahen uns an.
- Und? fragte ich.
-Was und? fragte er zurück.
Ich ließ den Rauch durch die Nase entweichen.
—Was jetzt?
Er schaute sich um, als würde er sich wundern, was er hier eigentlich tat.
- Ich weiß nicht.
- War ganz schön dumm, das Taxi fahren zu lassen. So schnell kriegst du um diese Uhrzeit kein neues.
- Ich kann ja laufen, sagte er und lief neben mir her.
Er brachte mich nach Hause und nahm dabei kein einziges Mal die Hände aus den Hosentaschen. Es war nett, mit ihm zu quatschen. Er war vielleicht zwei Jahre jünger als ich und sah gut aus. Ich sagte ihm nicht, daß er mir auf der Party nicht aufgefallen war. Wir verglichen Freunde und Studium, wir verwarfen die neuen Filme und lobten die Klassiker. Es war der übliche Quatsch, aber mit jeder neuen Geschichte bildete sich ein gemeinsamer Nenner, und ich fühlte mich wohl, weil er an mir interessiert war.
— Hier wohne ich.
Er schaute am Haus hoch.
-Vierter Stock?
-Woher...
— Du siehst aus wie jemand, der gerne den Überblick behält, sagte er und zog seine Hand aus der Hosentasche. Sie war angenehm warm.
— Gut, daß du nicht ins Taxi gestiegen bist, sagte er.
— Gut, daß du ausgestiegen bist, sagte ich.
Wir schüttelten Hände wie zwei Idioten, die zu nichts anderem fähig sind.
— Also, sagte ich nach fast einer Minute und ließ seine Hand los.
Er trat einen Schritt zurück.
— Ich würde gerne, aber ich kann dich nicht mit hochnehmen, sagte ich.
-Verstehe. Zu unordentlich.
Wir lachten.
-Ja...
Ich tippte mir an die Stirn.
—. . .in meinem Kopf.
Er schob sich die Hände wieder in die Hosentaschen. Ich wußte nicht, wie er hieß, er wußte nicht, wie ich hieß, und ich sah mich in den nächsten Tagen die Kleinanzeigen wälzen.
—Wenn ich morgen früh hier noch herumstehe ...
— . . . dann mache ich Kaffee und bringe ihn dir runter, versprach ich und beugte mich vor. Wir küßten uns so kurz, daß ich sofort vergaß, wie es sich anfühlte. Eine nervöse Erinnerung blieb.
— Bis dann.
In meiner Wohnung ließ ich die Lichter aus und trat an das Fenster vom Wohnzimmer. Er stand auf der gegenüber-liegenden Straßenseite, bemerkte mich und winkte. Dann rief er etwas. Ich öffnete das Fenster. Seine Stimme klang schneidend klar:
-MAREK!
- Ich wollte nicht antworten, ich wollte diesen spannenden Moment festhalten. Als ich dann aber lächelte, machte sich mein Mund selbständig:
-VAL!
Es fühlte sich an, als würde mit dem Klang meines Namens etwas Neues eingeläutet werden. Marek schaute noch für einige Sekunden herauf, dann drehte er sich um und ging. Ich sah ihm hinterher, zog mich aus und kroch in mein Bett, ohne Licht zu machen.
Gegen vier Uhr morgens erwachte ich schweißgebadet, stieß die Decke von mir und rannte ins Bad. Mit nervösen Fingern drückte ich eine Pille aus der Verpackung, schluckte sie ohne Wasser und stand da und wartete, daß das Zittern verschwand. Wie konntest du es nur vergessen?
Ich wußte es nicht.
Reiß dich jetzt bloß zusammen, werde nicht übermütig, reiß dich verdammt noch mal zusammen.
Minuten später lag ich wieder im Bett, beruhigt und zufrieden durchlebte ich ein zweites Mal den Spaziergang mit Marek durch die Nacht. Ein guter Anfang.
8
Und dann kamen sie. Ich bin mir nicht sicher, worauf sie gewartet hatten oder ob es einen Auslöser gab. Ich weiß nur,
daß nach langer Zeit mein Leben wieder anfing lebenswert zu werden und ich es einfach nicht verdiente, daß sie sich einmischten.
In dem ersten Jahr mit Marek pendelten wir
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