Du gehörst zu mir
Menschen, mit denen ich normalerweise zu tun habe. Ihre Ideale sind völlig gesund.«
»Ihre doch auch.«
»Um ehrlich zu sein, hatte ich nie Ideale, meine Liebe. Ich habe nie an Ehrlichkeit und Liebenswürdigkeit geglaubt – da ich diese Eigenschaften nie kennengelernt habe. Bis Sie mir begegnet sind.«
Ihre Schuldgefühle bereiteten Madeline Magenschmerzen. Sie war ihm gegenüber nicht ehrlich gewesen, und ihre Liebenswürdigkeit war anderen Motiven entsprungen, bis sie schließlich bemerkt hatte, dass sie in ihn verliebt war.
Und selbst dann hätte sie ihren ursprünglichen Plan weiterverfolgt, wenn da nicht diese Angst gewesen wäre, ihn zu verletzen und ihn zu einem noch größeren Zyniker zu machen, als er ohnehin schon war.
»Was ist denn?« Logans durchdringender Blick machte ihr bewusst, dass er ihren moralischen Zwiespalt mit Leichtigkeit durchschaute.
»Ich bin weder ein liebenswürdiger noch ein guter Mensch«, murmelte sie leise. »Es wäre falsch, wenn Sie etwas anderes von mir glaubten.«
»Was das anbelangt, vertrete ich meine eigenen Ansichten«, erwiderte er mit zärtlichem Blick.
Schließlich wurde das Dessert, Pfirsiche in Rotweinsauce mit Sahnehaube, serviert. Während Madeline die köstliche Süßspeise löffelte, nippte sie gelegentlich an einem Gläschen Likör. Leicht beschwipst vom Alkohol blinzelte sie, während sie Logan im Kerzenschein beobachtete.
»Es ist schon spät«, bemerkte Logan. »Möchten Sie sich zurückziehen?«
Erfüllt von der betrüblichen Vorstellung, dass dies ihr letzter gemeinsamer Abend war, schüttelte Madeline den Kopf.
»Was möchten Sie dann?« In Logans Stimme schwang ein scherzhafter Unterton. Er wirkte entspannt und anziehend, der goldene Kerzenschein schimmerte auf seinem dunklen Haar.
»Sie könnten mir vorlesen«, schlug Madeline vor. Sie teilten die Liebe zur Literatur und zur Philosophie und hatten bereits über Autoren wie Keats und Shelley und die Theorien Platos diskutiert. Zu Madelines großer Freude hatte sie viele seltene und einzigartige Bände in seiner Bibliothek entdeckt, die er vielfach auf Auktionen erstanden oder von einflussreichen Freunden geschenkt bekommen hatte. Logan half Madeline beim Aufstehen und läutete den Bediensteten, damit sie den Tisch abräumten. Er führte sie in einen privaten Nebenraum, der mit hellen Sitzkissen, chinesischem Porzellan, Gemälden und Bronzeplastiken ausgestattet war. Als sie sich vor dem marmornen Kamin niederließen, erschauerte Madeline aufgrund der plötzlich angenehmen Wärme. Logan hockte sich neben sie auf den Boden, stützte einen Ellbogen auf eines der Samtkissen auf und las mit bewegter Stimme aus Heinrich V.
Fasziniert lauschte Madeline seinen Worten.
Sie versuchte sich jede Einzelheit seines Gesichts einzuprägen: seine langen Wimpern, die während des Lesens Schatten auf seine Wangen warfen, die markanten Wangenknochen, der wohlgeformte Mund. Gelegentlich zitierte er aus seiner Erinnerung und deklamierte die romantischen Passagen, in denen Heinrich um die Tochter des französischen Königs warb. Seine Worte klangen zärtlich und doch irgendwie ironisch. Plötzlich beschlich Madeline das Gefühl, dass sie es keine Sekunde länger würde ertragen können, den flehentlichen Bitten zu lauschen, denn ihr Herz verkrampfte sich vor Schmerz. Die Atmosphäre war einfach zu persönlich, und die Worte erinnerten sie an ihre eigenen Empfindungen.
»Bitte, hören Sie auf«, bat sie stockend, als er gerade die Zeile vorlas: »Deine Lippen sind wie Zauberei …«
Logan ließ das Buch sinken. »Warum denn?«
Kopfschüttelnd wollte sich Madeline von ihrem Kissen erheben, doch er hielt sie zurück. Als er sie zu sich hinunterzog, spürte er, wie verkrampft sie war. »Geh nicht«, flüsterte er.
Als Logan sie an sich presste, seufzte Madeline auf. An ihn geschmiegt spürte sie seinen kräftigen, muskulösen Körper und seine breiten Schultern. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, doch sie fühlte die Berührung seiner Lippen, als er ihr ins Ohr hauchte.
»Schlaf heute Nacht in meinen Armen ein, Maddy.«
Auf diese Worte hatte sie hingearbeitet und sehnsüchtig gewartet. Plötzlich füllten sich Madelines Augen mit Tränen. »Ich kann nicht«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Aber du hast mir doch bei unserer ersten Begegnung erklärt dass du genau das wolltest.«
»Das stimmt … aber es hat sich alles ganz anders entwickelt als ich gedacht hatte.«
»Du bist ein einziges Rätsel.« Logan
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