Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Himmels willen Deine dortige Stellung weder auf, noch compromittire sie heißt es bei Friedlieb, und bei Vater Storm: Am Schluß noch von Deinem alten Vater die Bitte, um Himmels Willen keinen Schritt zu thun, welcher Deine dortige Stellung compromittiren könnte . Und auch Bruder Johannes, der gerade in Kiel eingetroffen ist, äußert sich in einer Nachschrift auf Vater Storms Brief: Und da halte ich es für eine Sache brüderlicher Liebe, Dich dringend zu bitten noch keine Schritte zu thun, wieder zurückzukehren.
Storm hält die Stellung in Heiligenstadt, wartet ab und taktiert. Auch die für den Herzog gerade verfasste, lobhudelnde Widmung muss man unter dem Gesichtspunkt des Taktierens sehen, Heuchelei ist das nicht, sondern eine von Storms vielen tatsächlichen und gedanklichen Maßnahmen, um heil aus dem Geschehen hervorzugehen und endlich in die Heimat zurückzukehren.
Sorge erfasst ihn wie alle anderen, dass Schleswig-Holstein nicht seine Unabhängigkeit gewinnen könnte. Mutter Lucies Sorge ist der strenge Winter, der sie und ihre Landsleute, von denen viele aus der engen und weiteren Nachbarschaft in der dänischen Armee dienen, in seinem eisigen Griff hält. Während ihr Mann auf dem Kieler Umschlag friert, schreibt sie nach Heiligenstadt: Welch eine entsetzliche Kälte; die Soldaten hier fürchten nicht mehr, todtgeschossen zu werden, wol aber zu erfrieren. Bei 50 und mehr liegen sie in den Scheunen im Stroh; ebenso geht es den Deutschen. Es ist doch grausam im Winter Krieg zu führen; dabei werden die Herzogthümer von all dem Kriegsvolk aufgefressen. Ein entsetzlicher Zustand, der bestehende, der zu keinem erträglichen Ende führen kann .
Inzwischen geht Bismarck unbeirrt seinen Weg. Er ist entschlossen, Gewalt anzuwenden, falls Dänemark nicht einlenkt. Nicht nur Schleswig-Holsteiner sind Bismarcks Gegner, auch der Deutsche Bundestag folgt ihm nicht, nicht einmal das preußische Abgeordnetenhaus steht hinter ihm, da erklärt er, indem er sich auf das geltende Recht des Londoner Protokolls beruft, Preußen und Österreich für allein zuständig und fordert Dänemark am 16. Januar 1864 ultimativ auf, die rechtswidrige Verfassung zurückzunehmen. Aber Dänemark geht ebenfalls unbeirrt seinen Weg und lehnt zwei Tage später ab. Weitere vierzehn Tage später lässt der achtzigjährige Freiherr von Wrangel (1784–1877) seine Truppen los: » In Gottes Namen drauf«, so hatte die Ordre des Feldmarschalls am Abend des 31. Januar gelautet, schreibt Fontane in seinem Buch über den Krieg in Schleswig-Holstein. Am 1. Februar, morgens um sieben Uhr überschreiten unter dem Hurrah der Truppen Preußen und Österreicher die Eider. 56 000 Soldaten stehen unter dem Oberbefehl des preußischen Generalfeldmarschalls.
Überraschend zieht der dänische Oberbefehlshaber General de Meza (1792–1865) seine Truppen vom »Danewerk«, dem seit Jahrhunderten für unüberwindlich gehaltenen Festungswerk, zurück. Der strenge Winter verbündet sich mit den Österreichern und bricht den Mythos Danewerk: Die zur Verteidigung vorgesehene Überflutung des Festungs-Vorfeldes ist wegen Vereisung unmöglich geworden. Ein Schneesturm bläst eiskalt aus Nordost, die dänischen Truppen ziehen ab.
Bei Oeversee, südlich von Flensburg, liefern sich aber noch am 6. Februar Dänen und Österreicher – die Preußen überqueren verspätet die Schlei bei Arnis – ein Hauen und Stechen. Die Gewehre sind eingefroren und taugen nur noch als Hieb- und Stichwaffe. Fünfundneunzig Soldaten sterben für Österreich, vierzig für Dänemark. Manch Österreicher gab sein Herzblut für Schleswig-Holstein, notiert ein Flensburger Zeitzeuge. Alles bezahlt mit dem Opfer der hingemordeten Jugend schreibt Storms jüdischer Freund Ludwig Löwe eine Woche nach dem Gefecht.
Oberbefehlshaber von Wrangel schwingt den Marschallstab des Siegers. Sein Erlass vom 7. Februar befiehlt allen Civilbeamten , am Arbeitsplatz zu bleiben und sich der neuen preußischen Verwaltung ohne Wenn und Aber unterzuordnen. Die deutsche Sprache ist fortan Geschäftssprache . Wrangel droht: Versuche, irgend einer anderen Autorität Eingang zu verschaffen, untersage ich ausdrücklich und bemerke, daß, wenn solche dennoch vorkommen sollten, die Urheber und Theilnehmer derselben nachdrücklich bestraft werden sollen .
Trotz des Befehlstons, den Wrangel in seinem Erlass anschlägt, trotz unüberhörbarer Warnung, räumen dänisch gesinnte Angestellte und Beamte ihren Arbeitsplatz,
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